Kündigung wegen Gesundheitsgefährdung

Anwalt Kündigung wegen Gesundheitsgefährdung Mietrecht
Die Kündigung wegen Gesundheitsgefährdung im Mietrecht

Im Mietrecht kann der Mieter die Wohnung fristlos kündigen, wenn die Benutzung der Wohnräume mit einer Gesundheitsgefährdung verbunden ist (§ 569 Abs. 1 BGB). Die Kündigung wegen Gesundheitsgefährdung ist aber auch bei Räumen möglich, die vertragsgemäß zum Aufenthalt von Menschen bestimmt sind (§ 578 BGB). Ein Rechtsanwalt für Mietrecht wird hier hauptsächlich zu der Frage benötigt, welche Mängel der Mieträume eine Kündigung wegen Gesundheitsgefährdung rechtfertigen und welche Anforderungen an den Nachweis der Gesundheitsgefahr gestellt werden. Wann eine fristlose Kündigung im Mietrecht wegen Gesundheitsgefährdung möglich ist, möchte ich deshalb nachfolgend als Fachanwalt für Mietrecht erläutern.

1. Kündigungsberechtigung

Zur Kündigung wegen Gesundheitsgefährdung ist der Mieter berechtigt, der von der gesundheitsgefährdenden Beschaffenheit der Mieträume betroffen ist. Die Kündigung des Mieters ist auch möglich, wenn Familienangehörige oder Angestellte einer Gesundheitsgefährdung unterliegen.

2. Voraussetzungen der Kündigung wegen Gesundheitsgefährdung

Die Kündigung wegen Gesundheitsgefährdung ist im Mietrecht möglich, wenn:
– es sich um eine Wohnung oder einen zum Aufenthalt von Menschen bestimmten Raum handelt,
– ein Mangel der mit einer Gesundheitsgefahr verbunden ist vorliegt und
– der Mieter eine Abhilfefrist gesetzt hat

a) Wohnung oder zum Aufenthalt von Menschen bestimmter Raum

Das Kündigungsrecht wegen Gesundheitsgefährdung gilt für alle Räume, die zum Aufenthalt von Menschen bestimmt sind. Wenn ein zeitweiliger Aufenthalt eine Gesundheitsgefährdung bewirkt, ist das für das Kündigungsrecht ausreichend. Ist nur ein Teil der Räume gesundheitsgefährdend, kommt es darauf an, ob die Benutzung als Wohnung noch möglich ist. Sind also z.B. Schlafzimmer, Wohnzimmer oder Küche beeinträchtigt, ist die Kündigung möglich. Dagegen ist eine Gesundheitsgefährdung bei Nebenräumen, wie Keller oder Flur noch nicht ausreichend für die Kündigung wegen Gesundheitsgefährdung.

Die Beschaffenheit der Räume muss kausal für die Gesundheitsgefährdung sein. Dabei kommt es nicht auf den besonderen Gesundheitszustand des Einzelnen an. Aber die Anfälligkeit von bestimmten Bevölkerungsgruppen, wie Kinder oder ältere Menschen, sind zu beachten. Die Gesundheitsgefahr muss sich aus der Beschaffenheit der Wohnräume ergeben. So kann eine starke Schimmelbildung oder eine fehlende Beheizbarkeit eine Gesundheitsgefährdung begründen (LG HB 18.10.2006 Az. 1 S 181/06). Auch Formaldehyd in der Raumluft oder asbesthaltige Nachtspeicheröfen begründen eine Gesundheitsgefährdung (LG Mü. 26.09.1990 Az. 31 S 20071/89). Gleiches gilt für gesundheitsschädlichen Lärm, unerträglich hohe Innentemperaturen, Ungezieferbefall oder Gerüche.

Ergibt sich die Gesundheitsbeeinträchtigung aus einer besonderen Veranlagung des Mieters, wie es z.B. bei Allergien der Fall ist, dann ist eine Kündigung wegen Gesundheitsgefährdung nicht begründet.

b) Mangel mit erheblicher Gesundheitsgefährdung

Für eine Kündigung ist eine erhebliche Gesundheitsgefährdung notwendig. Das ist der Fall, wenn die Gefahr einer deutlichen und nachhaltigen Gesundheitsbeschädigung besteht. An einer erheblichen Gesundheitsgefährdung fehlt es aber, wenn der Mangel sofort behoben werden kann oder der Vermieter ein Angebot unterbreitet hat, welches die Gefährdung beseitigt.
Die Gesundheitsgefährdung muss noch nicht eingetreten sein. Eine Kündigung wegen Gesundheitsgefährdung ist schon möglich, wenn diese ernsthaft in Betracht gezogen werden muss.

Ferner muss durch den Anwalt für Mietrecht die Gesundheitsgefährdung konkret auf den Einzelfall bezogen, festgestellt werden. So ist es bei Schimmel in den Wohnräumen nicht ausreichend festzustellen, dass Schimmel im Allgemeinen zu einer Gesundheitsgefährdung führen kann. Vielmehr ist durch ein Sachverständigengutachten festzustellen, um welche Schimmelart es sich handelt und welche Gesundheitsgefährdung diese hervorrufen kann (OLG BB 25.02.2014 Az. 3 U 154/11).

Für eine Kündigung wegen Gesundheitsgefährdung muss die Gesundheitsgefahr im Mietrecht anhand objektiver Kriterien durch den Rechtsanwalt festgestellt werden. Es ist möglich, dass der Zustand der Mietsache früher als unbedenklich galt, aber anhand neuerer medizinischer und technischer Erkenntnisse nun eine Gesundheitsgefahr gegeben ist. Sofern Grenzwerte vorliegen kann auf diese zurückgegriffen werden. Steht fest, dass die Mieträume mit Schadstoffen belastet sind und steht lediglich die Konzentration der Schadstoffe in der Raumluft nicht fest, dann ist die Kündigung wegen Gesundheitsgefährdung begründet, wenn eine Gesundheitsgefahr nicht sicher ausgeschlossen werden kann.

Eine Gesundheitsgefährdung kann auch vorliegen, wenn gegen baupolizeiliche Vorschriften verstoßen wird, die der Sicherheit und dem gesundheitlichen Schutz von Menschen dienen sollen (KG 22.09.2003 Az. 12 U 15/02). So kann die Einsturzgefahr eines Gebäudes, fehlende Rettungswege, unzureichende Brandschutzeinrichtungen oder Treppen ohne Geländer eine Gesundheitsgefährdung bewirken (OLG BB 02.07.2008 Az. 3 U 156/07; KG 22.09.2003 Az. 12 U 15/02).

Eine subjektive Beeinträchtigung des Mieters muss nicht vorliegen. Es ist aber nicht ausreichend, wenn ein Mieter nur aufgrund einer Vorbelastung (z.B. Allergie) beeinträchtigt wird. Können z.B. Schimmelpilzsporen nur wegen einer Allergie zu einer gesundheitlichen Reaktion des Mieters führen, ist eine Kündigung wegen Gesundheitsgefährdung nicht begründet. Die Gesundheitsgefährdung für eine bestimmte Benutzergruppe ist aber ausreichend (Kleinkinder).

c) Mängelanzeige und Fristsetzung

Vor einer Kündigung der Mieträume wegen Gesundheitsgefährdung muss der Mieter bzw. sein Anwalt dem Vermieter den Mangel anzeigen und eine Frist zur Mangelbeseitigung setzen oder eine Abmahnung aussprechen (§ 543 Abs. 3 BGB, BGH 18.04.2007 Az. VIII ZR 182/06). Eine Abhilfefrist ist entbehrlich, wenn dem Mieter wegen der damit verbundenen Gesundheitsgefahr ein Zuwarten nicht zugemutet werden kann oder wenn der Vermieter die Mangelbeseitigung verweigert hat (OLG BB 02.07.2008 Az. 3 U 156/07).

3. Kenntnis des Mangels und zu vertretender Mangel

Das Kündigungsrecht wegen Gesundheitsgefährdung ist nicht deshalb ausgeschlossen weil der Mieter die Gefahr bei Mietvertragsabschluss gekannt hat oder auf seine Rechte diesbezüglich verzichtet hat. Ein Schadenersatzanspruch des Mieters aus § 536a BGB kann aber entfallen, wenn der Mieter für längere Zeit eine Kündigung unterlassen hat oder wenn er den gesundheitsgefährdenden Zustand selbst zu vertreten hat (BGH 17.12.2003 Az. XII ZR 308/00).

4. Kündigungserklärung und Schadenersatz

Die Kündigung bedarf der Schriftform und muss durch den Mieter bzw. den Anwalt begründet werden (BGH 22.06.2005 Az. VIII ZR 326/04). Hat der Mieter berechtigt gekündigt, kann er Ersatz der nutzlos gewordenen Aufwendungen verlangen (§ 536a BGB). Das betrifft z.B. Maklerprovisionen und Renovierungskosten für die bisherige Wohnung. Kündigt der Mieter aber nicht alsbald, kann das einen Schadenersatzanspruch ausschließen (BGH 22.11.2005 Az. VI ZR 330/04).

5. Darlegungs- und Beweislast

Der Mieter bzw. sein Anwalt hat darzulegen und zu beweisen, dass die Voraussetzungen der Kündigung wegen Gesundheitsgefährdung vorliegen. Hierzu hat der beauftragte Rechtsanwalt im Streitfall vorzutragen, dass die Beschaffenheit der Mieträume zu einer Gesundheitsgefährdung führen kann. Ferner hat der Anwalt darzulegen und zu beweisen, welche konkreten Auswirkungen die Beschaffenheit der Räume auf die Gesundheit des Mieters hat. Der Beweis wird i.d.R. nur durch ein medizinisches Sachverständigengutachten zu führen sein (BGH 18.04.2007 Az. VIII ZR 182/06).

6. Rechtsprechung zur Kündigung wegen Gesundheitsgefährdung

a) Fehlendes Geländer

Fehlt an einer L-förmigen Galerie im Obergeschoss des angemieteten Bauernhauses ein Geländer, besteht die Berechtigung zur fristlosen Kündigung wegen Gesundheitsgefährdung, da die drohende Gefahr einer Gesundheitsschädigung genügt. Für Personen auf der Empore im Obergeschoss des Bauernhauses besteht ohne ein Geländer schon bei geringer Unachtsamkeit die Gefahr, in das Erdgeschoss hinabzustürzen und sich schwere Verletzungen zuzuziehen (OLG BB 02.07.2008 Az. 3 U 156/07).

b) Fehlende Brandschutzeinrichtungen

Der Mieter von Gewerberäumen für den Betrieb eines Möbellagers kann die Kündigung wegen Gesundheitsgefährdung erklären, wenn von den Räumen eine erhebliche Gesundheitsgefahr dadurch ausgeht, dass wichtige Teile der in den Mieträumen bei Anmietung vorhandenen Brandschutzeinrichtungen auch nach Jahren noch nicht wieder funktionsfähig waren. Es genügt, dass die konkrete Gefahr besteht, dass aus jedem kleinen Brand wegen der funktionsunfähigen Brandschutzeinrichtungen ein Großbrand entstehen kann (KG 22.09.2003 Az. 12 U 15/02).

c) Einsturzgefahr des Daches einer Lagerhalle

Die Einsturzgefahr des Holzdaches einer für den Aufenthalt von Menschen bestimmten Lagerhalle ist auch dann als gesundheitsgefährdend anzusehen, wenn die Gefahr zwar nur bei besonderen Wind- und Schneelasten besteht, gleichwohl aber als real einzustufen ist.
Darauf, ob die Halle dem technischen Standard im Zeitpunkt ihrer Errichtung entsprochen hat, kommt es im Anwendungsbereich des § 569 Abs. 1 BGB nicht an. Maßgebend ist insoweit der gegenwärtige Stand der Erkenntnis, auch wenn dieser bei Vertragsschluss noch nicht bestanden haben sollte (OLG D.-dorf 16.02.2016 Az. I-10 U 202/15).

d) Überhitzung von Gewerberäumen

Ein die Kündigung wegen Gesundheitsgefährdung rechtfertigender Mangel ist bei Gewerberäumen dann gegeben, wenn die Innentemperatur der Räume in einem Standardsommer langandauernd 26 Grad übersteigt. Beim Betrieb einer Drogerie sind diese Voraussetzungen erfüllt, wenn bei einem langjährigen Mittelwert die Temperaturgrenze von 26 Grad an 45 Tagen überschritten wird (OLG Sa-Anh. 17.06.2003 Az. 9 U 82/01).

e) Toxinbildende Schimmelpilze

Schimmelpilzbildung in Mieträumen berechtigt dann zur fristlosen Kündigung wegen Gesundheitsgefährdung, wenn eine Gesundheitsgefahr für die Bewohner durch toxinbildende Schimmelpilze vorliegt.
Der Anwalt muss im Mietrechtsstreit darlegen und beweisen, dass festgestellte Schimmelpilze tatsächlich toxinbildend sind und zu einer Gesundheitsbeeinträchtigung seiner Mitarbeiter geführt haben. Die Vorlage von ärztlichen Bescheinigungen, die ohne Laboruntersuchungen erstellt worden sind, reicht hierzu nicht aus (KG 26.02.2004 Az. 12 U 1493/00).

f) Schadstoffbelastung mit DDT

Das Kündigung wegen Gesundheitsgefährdung ist auch dann möglich, wenn der Mieter den Mangel bei Abschluss des Vertrages gekannt oder wenn er darauf verzichtet hat, die ihm wegen einer gesundheitsgefährdenden Beschaffenheit der Mieträume zustehenden Rechte geltend zu machen.
Ist nach dem gegenwärtigen Stand der medizinischen Wissenschaft ernsthaft zu besorgen, dass mit der Benutzung der Räume in absehbarer Zeit eine erhebliche Gesundheitsgefährdung durch die Belastung mit dem Schadstoff DDT verbunden ist, ist eine Kündigung wegen Gesundheitsgefährdung möglich (OLG BB 07.02.2017 Az. 6 U 169/14).

g) Kündigung wegen Gesundheitsgefährdung durch Ungeziefer und Schadenersatz

Ein Kellerasselbefall kann zur fristlosen Kündigung wegen Gesundheitsgefährdung und Schadensersatz aus positiver Vertragsverletzung berechtigen.

aa) Gesundheitsgefährdung durch Kellerasselbefall

Das Auftreten von Kellerasseln in erheblichem Umfang kann auch bei normal empfindlichen Mietern zu Ekelgefühlen führen, wenn ein solcher Befall auch in der Küche auftritt, so daß die Befürchtung bestehen kann, daß die Kellerasseln auch mit Lebensmitteln in Berührung kommen. Es ist auch eine bekannte Tatsache, daß Ekelgefühle zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen können, und zwar physischer Art, wie etwa Brechreiz und darüber hinaus zu Beeinträchtigungen auch psychischer Natur, wenn die die Ekelgefühle auslösenden Umstände über einen längeren Zeitraum hinweg andauern. Es ist deshalb bei einem Auftreten von Kellerasseln in erheblichem Umfang von einer erheblichen Gesundheitsgefährdung auszugehen.

bb) Umfang des Schadenersatzes

Kündigt der Mieter wegen Gesundheitsgefährdung durch Kellerasselbefall fristlos, nachdem der Vermieter keine Maßnahmen zur Beseitigung in Angriff genommen hat, so ist er für den aus der Vertragsverletzung erwachsenden Schaden ersatzpflichtig.

In Betracht kommen insoweit etwa die Maklerkosten für die Anmietung einer neuen Wohnung, die Umzugskosten, etwaige Renovierungskosten bei Einzug in die neue Wohnung oder unter bestimmten Voraussetzungen auch eine erhöhte Miete für die neue Wohnung. Nicht ersatzfähig sind jedoch Aufwendungen, die vom Mieter bei Einzug in die beanstandete Wohnung (z.B. Renovierungskosten, Gestaltungskosten) gemacht worden sind. Diese Kosten wären dem Mieter auch bei vertragstreuem Verhalten des Vermieters entstanden. Es fehlt daher an der Kausalität zwischen dem haftungsbegründenden Ereignis und dem vom Mieter geltend gemachten Schaden (LG Saarbrücken 12.06.1989 Az. 13 B S 123/88).

h) Verwirkung des Kündigungsgrundes durch Zeitablauf

Wenn der Gewerberaummieter die außerordentliche Kündigung wegen erheblicher Gesundheitsgefährdung  aussprechen will, muss er die Kündigung in angemessener Zeit nach Kenntnis des Kündigungsgrundes erklären. Während ein Zeitraum von vier bis sechs Monaten noch angemessen sein kann, fehlt es an der notwendigen Angemessenheit, wenn die Kündigung erst zwei bis drei Jahre nach Kenntnis vom Kündigungsgrund ausgesprochen wird (LG Braunschweig 09.10.2014 Az. 22 O 1774/13).