Die Verwendung von Dashcams, einer im Fahrzeug montierten Videokamera zur Aufzeichnung des Verkehrsgeschehens, findet im Straßenverkehr immer mehr Verbreitung. Die Idee dabei ist es, den Verkehr mittels einer Videokamera ununterbrochen aufzuzeichnen, um so Verkehrsabläufe zu dokumentieren. Die Dokumentation erfolgt zumeist zu dem Zweck, im Falle eines Verkehrsunfalls, die Schuldfrage beweisen zu können. Bei der Aufzeichnung des Straßenverkehrs durch eine Dashcam stellt sich allerdings im Verkehrsrecht für einen Rechtsanwalt die Frage, ob das datenschutzrechtlich zulässig ist und ob die Aufzeichnung überhaupt als Beweismittel gerichtsverwertbar ist.
1. Datenschutzrechtliche Unzulässigkeit von Dashcams im Straßenverkehr
Durch die ununterbrochene Videoaufzeichnung des Straßenverkehrs wird in Grundrechte Dritter eingegriffen. Dabei kann insbesondere das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt werden. So entschied auch das Verwaltungsgericht Ansbach (12.08.2014, Az. AN 4 K 13.01634). In dem Prozess klagte der Rechtsanwalt des Betroffenen gegen einen Bescheid des Bayerischen Landesamtes für Datenschutzaufsicht, welcher ihm die Videoaufzeichnung durch seine Dashcam untersagt hatte. Das Landesamt war der Meinung die Verwendung von Dashcams im Straßenverkehr verstoße gegenden Datenschutz und gegen die Persönlichkeitsrechte der Aufgezeichneten.
Das Verwaltungsgericht schloss sich der Meinung der Datenschutzaufsichtsbehörde an und führte u.a. aus:
„Der Kläger macht mit seiner On-Board-Kamera umfassende heimliche Aufzeichnungen des gesamten Verkehrsgeschehens vor seinem Fahrzeug. Eine solche großflächige Beobachtung von öffentlichen Straßen stellt schon deshalb einen schwerwiegenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen dar, weil durch die permanente Aufzeichnung mit der On-Board-Kamera eine Vielzahl von Personen in kurzer Zeit in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht betroffen wird. Zwar möchte der Kläger mithilfe der On-Board-Kamera seine verfassungsrechtlich garantierten Rechte (Eigentum, Ehre) schützen, trotzdem überwiegen die Interessen der Betroffenen, die keine Anhaltspunkte für eine Beobachtung liefern, erheblich.“
Die Verwendung von Dashcams soll also gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen verstoßen, was die Datenschutzbehörde dazu veranlassen kann, die Entfernung der Videokamera und die Zahlung einer Geldbuße anzuordnen.
2. Unterschiedliche Rechtsprechung zur Verwertbarkeit von Dashcam-Aufzeichnungen als Beweismittel
Bisher entschieden die Gerichte uneinheitlich zur beweisrechtlichen Verwertbarkeit von Dashcam-Aufzeichnungen im Verkehrsrecht. Die Gerichte nahmen eine Interessenabwägung vor und beachteten auf der Seite des Unfallverursachers, dass die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume nur zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke zulässig ist und keine schutzwürdigen Interessen des Betroffenen der Beobachtung entgegenstehen. Ferner war das Persönlichkeitsrecht und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Betroffenen zu beachten.
Auf der Seite des Geschädigten war das Interesse an der Aufklärung des Sachverhalts und am Ersatz des erstandenen Schadens, sowie die ansonsten bestehende Beweislosigkeit zu beachten.
a) So entschied das LG Heilbronn (03.02.2015, Az. I 3 S 19/14), dass Dashcam-Aufnahmen nicht als Beweismittel verwertbar sind. In seiner Begründung im Rahmen der Interessenabwägung schloss es sich dem Urteil des Verwaltungsgerichtes Ansbach (s.o.) an.
b) Im Gegensatz dazu kommt das AG Mü. (06.06.2013, Az. 343 C 4445/13) im Rahmen der Interessenabwägung zwischen den Parteien zu einem anderen Ergebnis:
„Eine Beeinträchtigung ihrer Grundrechte kann nur dann vorliegen, wenn eine derartige zufällig gewonnene Aufnahme dann gegen den Willen der abgebildeten Person veröffentlicht wird. Das passiert hier, nachdem der Kläger von der Videoaufnahme im Gerichtsverfahren Gebrauch machen will. In dem Moment, in dem sich der Unfall ereignete, hat sich die Interessenlage der Beteiligten aber auch geändert. Der Kläger hat nunmehr ein Interesse daran Beweise zu sichern.
Dieses Interesse ist in der Rechtsprechung anerkannt: Es wird für unproblematisch gehalten, wenn ein Unfallbeteiligter unmittelbar nach dem Unfall Fotos von den beteiligten Fahrzeugen, der Endstellung, Bremsspuren oder auch von seinem Unfallgegner macht, um Beweise für den Unfallhergang und die Beteiligung der Personen zu sichern. Es kann keinen Unterschied machen, ob die Beweismittel erst nach dem Unfall gewonnen werden oder bereits angefertigte Aufnahmen nun mit bestimmter Zielrichtung verwertet werden. Deshalb konnte in dem Prozess das Video ausgewertet werden.“
In diesem Verfahren wurde also die Videoaufnahme des Straßenverkehrs mittels Dashcam als Beweismittel zugelassen und verwertet.
c) Dieses Ergebnis hat das AG Mü. (30.11.2015, Az. 335 C 13895/15) bestätigt und die Aufzeichnung des Straßenverkehrs mittels Dashcam für zulässig gehalten. Danach hat das Recht auf informationelle Selbstbestimmung hinter den Interessen des Unfallgeschädigten zurückzutreten. Das Gericht hat grundsätzlich alle von den Parteien angebotenen Beweismittel zu berücksichtigen. Das Ziel des Prozesses ist es, eine richtige Entscheidung zu treffen, weshalb ein öffentliches Interesse an einem materiell richtigen Prozessausgang besteht. Somit würde ein Widerspruch vorliegen, wenn Aufzeichnungen einer Dashcam, auf denen das Unfallgeschehen zu sehen ist, nicht als Beweismittel zulässig wären.
d) Auch das OLG Stgt. (04.05.2016, Az. 4 Ss 543/15) hielt die Verwertung von mittels Dashcam angefertigten Videoaufzeichnungen im Rahmen eines Ordnungswidrigkeitsverfahrens für zulässig. Selbst wenn die Aufzeichnung des Straßenverkehrs mit einer Dashcam gegen den Datenschutz verstößt und somit datenschutzrechtlich unzulässig ist, folgt daraus kein gesetzliches Beweisverwertungsverbot im Ordnungswidrigkeitsverfahren. Sofern die Videoaufzeichnung mit Dashcam gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen verstößt, bedarf es einer Abwägung der widerstreitenden Interessen, wobei insbesondere die Art des Verbots, das Gewicht des Verfahrensverstoßes und die Bedeutung der betroffenen Rechtsgüter maßgeblich sind. So ist etwa ein Beweisverwertungsverbot anzunehmen, wenn Eingriffe ohne Rechtsgrundlage zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Rechtsgüter führen und infolge dessen das Ermittlungsverfahren nachhaltig geschädigt wird.
e) Ebenfalls für verwertbar hält das AG Nienburg (20.01.2015 Az. 4 Ds 155/14) Videoaufzeichnungen mittels Dashcam im Rahmen eines Strafprozesses, wenn diese kurz und nur anlassbezogen sind:
„Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung zwischen dem Interesse des Zeugen an der Anfertigung der Aufzeichnung zum Zwecke der Beweissicherung und dem Interesse des Angeklagten an der Unverletzlichkeit des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung überwiegt das Interesse des Zeugen. […] Maßgeblich ist insoweit, dass die kurze, anlassbezogene Aufzeichnung nur die Fahrzeuge, aber nicht die Insassen der Fahrzeuge abbildet und nur Vorgänge erfasst, die sich im öffentlichen Straßenverkehr ereignen. Der Eingriff in das Recht des Angeklagten ist daher denkbar gering, während das Interesse des Zeugen an einem effektiven Rechtsschutz besonders hoch ist. […] Der anlassbezogene Einsatz der Dashcam ist deshalb in dieser konkreten Fallgestaltung für den vom Zeugen verfolgten Zweck der Beweissicherung geeignet, erforderlich und verhältnismäßig.“
3. Dashcam-Aufzeichnungen zwar datenschutzwidrig, aber zulässiges Beweismittel
Die Streitfrage, ob ein datenschutzwidrig durch anlasslose ununterbrochene Aufzeichnung des Straßenverkehrs erlangtes Beweismittel im Zivilprozess verwertbar ist, wurde nun höchstrichterlich geklärt. Der BGH entschied, dass die permanente Aufzeichnung des Verkehrsgeschehens datenschutzwidrig ist. Die Verwertung der anlasslos gefertigten Dashcam-Aufzeichnungen sei aber dennoch im Zivilprozess möglich (BGH 15.05.2018, Az. VI ZR 233/17).
Die Rechtswidrigkeit einer Beweiserhebung führt nicht ohne Weiteres zu einem Beweisverwertungsverbot. Ob ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Beweisgegners durch Verwertung der Beweise gerechtfertigt ist, ist durch eine Interessenabwägung zu ermitteln. Dabei ist an der einen Seite das Persönlichkeitsrecht und auf der anderen Seite die für die Verwertung sprechenden Interessen zu beachten. Um die Wahrheit zu ermitteln, sind die Gerichte grundsätzlich gehalten, angebotene Beweismittel zu berücksichtigen. Zudem sei für eine funktionstüchtige Rechtspflege auch das Streben nach einer materiell richtigen Entscheidung zu beachten (BGH 15.05.2018, Az. VI ZR 233/17).