Kurzarbeit

Anwalt Kurzarbeit Arbeitsrecht
Kurzarbeit im Arbeitsrecht

Als Kurzarbeit wird im Arbeitsrecht die vorübergehende Kürzung der betriebsüblichen Arbeitszeit, bei anschließender Rückkehr zum vereinbarten Zeitumfang, bezeichnet. Die vorübergehende vollständige Arbeitseinstellung wird als „Kurzarbeit null“ bezeichnet. Nachfolgend möchte ich als Fachanwalt für Arbeitsrecht erläutern, unter welchen Voraussetzungen im Betrieb Kurzarbeit eingeführt werden kann.

1. Rechtsgrundlage für die Kurzarbeit

Der Arbeitnehmer hat im Arbeitsverhältnis einen Anspruch auf Beschäftigung. Der Arbeitgeber bedarf daher für die Einführung der Kurzarbeit einer Rechtsgrundlage. Die Rechtsgrundlage kann sich aus einem Gesetz (§ 19 KSchG), aus einem Tarifvertrag (a), einer Betriebsvereinbarung (b), einer Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer (c) oder aus einer Änderung des Arbeitsvertrages aufgrund einer Änderungskündigung (d) ergeben. Das Weisungsrecht des Arbeitgebers ist dagegen kein geeignetes Instrument, die vertragliche Vergütungspflicht einzuschränken.

a) Tarifvertragliche Kurzarbeitsklauseln

In einem Tarifvertrag kann der Arbeitgeber oder der Betriebsrat ermächtigt werden, nach Einhaltung einer Ankündigungsfrist Kurzarbeit einzuführen. Ist in einem Tarifvertrag eine pauschale Ermächtigung des Arbeitgebers, Kurzarbeit einzuführen enthalten, ist eine solche Ermächtigung wegen Verstoßes gegen unabdingbares Kündigungsschutzrecht unwirksam. Vielmehr muss der Tarifvertrag selbst die Voraussetzungen, Umfang und Höchstdauer für die Einführung der Kurzarbeit bestimmen (BAG 27.01.1994 Az. 6 AZR 541/93). Die konkrete Ausgestaltung der Kurzarbeit wird dann i.d.R. in einer Betriebsvereinbarung zu regeln sein.

Die Regelungen eines Tarifvertrages zur Kurzarbeit wirken gegenüber Nichttarifgebundenen nur, wenn der Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt wurde oder aber der Arbeitsvertrag auf den Tarifvertrag Bezug nimmt. Ist der Tarifvertrag wegen der Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag oder wegen bestehender Tarifbindung anwendbar, kann gegenüber den Arbeitnehmern mit den verkürzten Ankündigungsfristen des Tarifvertrages Kurzarbeit eingeführt werden.

b) Betriebsvereinbarung

Enthält der Tarifvertrag keine Regelungen zur Kurzarbeit, kann diese durch Betriebsvereinbarung eingeführt werden (§ 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG). Dagegen hat der Personalrat im öffentlichen Dienst kein Mitbestimmungsrecht bei der Einführung der Kurzarbeit. Betriebsvereinbarungen zur Einführung der Kurzarbeit bewirken eine vorübergehende Herabsetzung des vertraglich vereinbarten Arbeitszeitumfangs (BAG 10.10.2006 Az. 1 AZR 811/05). Eine Betriebsvereinbarung über die Einführung der Kurzarbeit ist nicht zulässig, wenn eine tarifliche Kurzarbeiterklausel existiert, die eine abschließende Regelung darstellt.

Eine Betriebsvereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit muss die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten so deutlich regeln, dass diese für die Arbeitnehmer zuverlässig zu erkennen sind. Das ist der Fall, wenn sie Beginn und Dauer der Kurzarbeit, Lage und Verteilung der Arbeitszeit, die Auswahl der von der Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmer und der Zeitraum, für die die Arbeit ganz ausfallen soll, regelt. Dabei ist es nicht ausreichend, wenn der Arbeitgeber nach der Betriebsvereinbarung allein darüber entscheiden kann, welche Arbeitnehmer von der Kurzarbeiterregelung ausgenommen werden können (BAG 18.11.2015 Az. 5 AZR 491/14).

c) Vertragliche Vereinbarung der Kurzarbeit

Die Einführung der Kurzarbeit kann auch einzelvertraglich vereinbart werden. Eine Kurzarbeiterregelung in einem Formulararbeitsvertrag unterliegt der AGB-Kontrolle (§ 307 Abs. 1 S. 1 BGB). Sie ist nur angemessen, wenn die Einführung der Kurzarbeit an die Voraussetzungen in § 95 SGB III anknüpft. Eine Kurzarbeiterregelung, die ohne eine Ankündigungsfrist eingeführt werden kann, ist unwirksam. Solche Klauseln können auch dann gem. § 307 Abs 1, 2 BGB unwirksam sein, wenn sie Regelungen über Umfang und Ausmaß der Kurzarbeit, Festlegung des betroffenen Personenkreises, Art und Weise der Einbeziehung des Personenkreises offen lassen (LArbG BB 07.10.2010 Az. 2 Sa 1230/10).

d) Änderungskündigung

Gibt es keine Rechtsgrundlage für die Einführung der Kurzarbeit und erteilt der Arbeitnehmer auch keine Zustimmung zur vergütungsfreien Kurzarbeit, kann der Arbeitgeber eine Änderungskündigung zur Einführung der Kurzarbeit aussprechen. Lehnt der Arbeitnehmer die Änderung der Arbeitsbedingungen vorbehaltlos ab, endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der Kündigungsfrist, wenn der Arbeitnehmer nicht Kündigungsschutzklage erhebt.

Hierzu kann auch eine fristlose Änderungskündigung als betriebsbedingte Änderungskündigung gerechtfertigt sein, wenn hierdurch die Einführung von Kurzarbeit ermöglicht werden soll. Die Rechtsprechungsgrundsätze des BAG zur reinen Entgeltreduzierung durch Änderungskündigung sind auf eine Änderungskündigung zur Einführung von Kurzarbeit nicht übertragbar.
Für die Frage der Verhältnismäßigkeit der Kündigung sind insbesondere eine Ankündigungsfrist und die Begrenzung der Dauer der Kurzarbeit von Bedeutung sowie der Umstand, dass Kurzarbeit nur dann eingeführt werden kann, wenn die entsprechenden Voraussetzungen zur Gewährung von Kurzarbeitergeld auch in der Person des Arbeitnehmers vorliegen (ArbG Stgt. 22.102020 Az. 11 Ca 2950/20).

e) Konkludente Änderung des Arbeitsvertrages

Nimmt der Arbeitnehmer nach Einführung der Kurzarbeit die Zahlung von Kurzarbeitergeld vorbehaltlos entgegen, kann von einer einvernehmlichen konkludenten Änderung des Arbeitsvertrages zur Einführung der Kurzarbeit ausgegangen werden (LArbG D.-dorf 14.10.1994 Az. 10 Sa 1194/94; ArbG Marburg 17.12.1999 Az. 2 Ca 203/99).

2. Rechtswirkungen der Einführung der Kurzarbeit

Ist die Kurzarbeit wirksam eingeführt, wird der Arbeitnehmer von seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung befreit, verliert aber in diesem Umfang seinen Vergütungsanspruch.

a) Widerruf des Kurzarbeitergeldes

Widerruft die Bundesagentur für Arbeit die Gewährung des Kurzarbeitergeldes, dann hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Vergütungsfortzahlung, allerdings nur in Höhe des Kurzarbeitergeldes, denn der Widerruf führt nicht zum Wegfall der mit dem Arbeitnehmer vereinbaren Kurzarbeit (BAG 11.07.1990 Az. 5 AZR 557/89). Der Widerruf des Kurzarbeitergeldes kann insbesondere bei einer Kündigung des Arbeitnehmers in Betracht kommen.

b) Annahmeverzug

Hat der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer keine wirksame Einführung der Kurzarbeit vereinbart, dann befindet er sich mit der weiteren Arbeitsleistung des Arbeitnehmers in Annahmeverzug. Er hat dann dem Arbeitnehmer für den nicht geleisteten Teil der Arbeit Annahmeverzugslohn zu zahlen. Voraussetzung ist aber, dass der Arbeitnehmer den Arbeitgeber zumindest durch ein wörtliches Angebot der Arbeitsleistung in Annahmeverzug gesetzt hat (BAG 18.11.2015 Az. 5 AZR 491/14).

c) Urlaubsanspruch

Bei wirksamer Einführung der Kurzarbeit verringert sich der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers entsprechend. Die Einführung von „Kurzarbeit Null“ führt dazu, dass der Arbeitgeber von der Pflicht zur Urlaubsgewährung frei wird, denn der mit dem Urlaub bezweckte Erfolg, den Arbeitnehmer von der Arbeitspflicht freizustellen, kann nicht eintreten. Während der Zeit der Kurzarbeit Null, werden also keine Urlaubsansprüche erworben (LAG D.-dorf 15.03.2021 Az. 6 Sa 824/20; BAG, 30.11.2021, Az. 9 AZR 225/21). Der Arbeitgeber hat aber dem Arbeitnehmer Ersatzurlaub als Schadensersatz zu gewähren, wenn er die eingetretene Unmöglichkeit zu vertreten hat. Das ist der Fall, wenn er aus betrieblichen Gründen Kurzarbeit einführt (BAG 16.12.2008 Az. 9 AZR 164/08). Der Arbeitnehmer hat dann während der Kurzarbeit Anspruch auf Feiertagsvergütung in Höhe der reduzierten Vergütung (BAG 05.07.1979 Az. 3 AZR 173/78).

3. Kurzarbeitergeld

Das Kurzarbeitergeld ist eine Leistung der Arbeitsförderung, die Arbeitsplätze erhalten und den durch Kurzarbeit eingetretenen Lohnausfall teilweise ausgleichen soll. Das Kurzarbeitergeld ist vom Arbeitgeber vorzuleisten und wird erstattet, wenn die nachfolgenden Voraussetzungen erfüllt sind. Nicht erstattet werden die vom Arbeitgeber auf das Kurzarbeitergeld zu leistenden Sozialversicherungsbeiträge.

a) Voraussetzungen für Kurzarbeitergeld

Arbeitnehmer haben Anspruch auf Kurzarbeitergeld, wenn ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall (aa) vorliegt, die betrieblichen (bb) und persönlichen Voraussetzungen (cc) erfüllt sind und der Arbeitsausfall der Arbeitsverwaltung angezeigt wurde (§ 95 SGB III).

aa) Erheblicher Arbeitsausfall

Der Arbeitsausfall ist erheblich, wenn er auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht (1), er vorübergehend (2) und nicht vermeidbar (3) ist und im Kalendermonat mindestens 1/3 der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer von einem Entgeltausfall von mehr als 10% des Bruttoentgelts (4) betroffen sind (§ 96 Abs. 1 SGB III).

(1) Wirtschaftliche Gründe, unabwendbares Ereignis

Der Arbeitsausfall beruht auf wirtschaftlichen Gründen, wenn er durch eine Veränderung der betrieblichen Strukturen verursacht wurde. Das sind Störungen im Wirtschaftskreislauf, wie Konjunkturschwankungen, Auftragsmangel oder Absatzschwierigkeiten.
Das Ereignis muss unabwendbar, also durch äußerste Sorgfalt für den betroffenen Betrieb nicht abwendbar gewesen sein. Das ist z.B. bei einem ungewöhnlichen Witterungsverlauf der Fall.

(2) Vorübergehender Arbeitsausfall

Der Arbeitsausfall ist vorübergehend, wenn der Betrieb in absehbarer Zeit wieder zur Vollarbeit übergehen kann. Eine Betriebsschließung ist nicht vorübergehend.

(3) Unvermeidbarkeit

Der Arbeitsausfall ist nicht vermeidbar, wenn im Betrieb alle zumutbaren Maßnahmen getroffen wurden, um den Eintritt des Arbeitsausfalls zu verhindern. Der Arbeitsausfall ist vermeidbar, wenn er betriebsübliche oder saisonale Ursachen hat. Ebenso ist von einer Vermeidbarkeit des Arbeitsausfalls auszugehen, wenn er durch Urlaub oder durch Abbau von Arbeitszeitguthaben aus Arbeitszeitkonten vermieden werden kann (§ 96 Abs. 4 SGB III).

(4) Betroffene Arbeitnehmer

Durch den Arbeitsausfall muss mindestens 1/3 der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer von jeweils mehr als 10% des monatlichen Bruttoentgelts betroffen sein (§ 96 Abs. 1 Nr. 4 SGB III). Hierzu zählen auch im Anspruchszeitraum gekündigte oder freigestellte Arbeitnehmer, soweit sie Kündigungsschutzklage erhoben haben. Auszubildende sind jedoch nicht hierzu zu zählen.
Während der Corona-Pandemie gilt bis zum 31.12.21, dass lediglich 10% der Beschäftigten im Betrieb vom Arbeitsausfall betroffen sein müssen.

bb) Betriebliche Voraussetzungen für Kurzarbeitergeld

Kurzarbeitergeld wird nur gewährt, wenn ein im Inland gelegener Betrieb mindestens einen Arbeitnehmer beschäftigt (§ 97 S. 1 SGB III).

cc) Persönliche Voraussetzungen für Kurzarbeitergeld

Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf Kurzarbeitergeld, wenn er nach Beginn des Arbeitsausfalls die versicherungspflichtige Beschäftigung fortsetzt oder im Anschluss an die Berufsausbildung aufnimmt. Das Arbeitsverhältnis darf nicht gekündigt oder durch Aufhebungsvertrag aufgelöst sein (§ 98 Abs. 1 SBG III). Der Anspruch auf Kurzarbeitergeld entfällt ab dem auf die Übergabe des Schreibens folgenden Tag. Erhebt der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage und wird die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt, gilt das Arbeitsverhältnis als ungekündigt fortgesetzt. Für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses kann ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld bestehen.

Auch eine Eigenkündigung des Arbeitnehmers lässt den Anspruch auf Kurzarbeitergeld entfallen. Dagegen wird während einer Arbeitsunfähigkeit Kurzarbeitergeld gewährt (§ 98 Abs. 2 SGB III).
Von der Gewährung von Kurzarbeitergeld sind Teilnehmer an beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen, der Rehabilitation und Arbeitnehmer, die Krankengeld erhalten, ausgeschlossen. Kurzarbeitergeld kann ebenfalls nicht erhalten, wer nicht an seiner Vermittlung zur Arbeitsleistung mitwirkt. Der Anspruch auf Kurzarbeitergeld ruht während einer Sperrzeit oder wenn eine zumutbare Beschäftigung ohne wichtigen Grund nicht angenommen wird (§ 98 Abs. 4 SGB III).

b) Höhe des Kurzarbeitergeldes

Das Kurzarbeitergeld beträgt für Arbeitnehmer, die beim Arbeitslosengeld die Voraussetzungen für den erhöhten Leistungssatz erfüllen, 67% und für die übrigen Arbeitnehmer 60% der Nettoentgeltdifferenz im Anspruchszeitraum (§ 105 SGB III). Das Kurzarbeitergeld kann für höchstens 12 Monate gewährt werden (§ 104 Abs. 1 S. 1 SGB III). Eine Verlängerung der Bezugsdauer auf bis zu 24 Monate ist durch eine Rechtsverordnung möglich (§ 109 Abs. 1 Nr. 2 SGB III).

c) Antrag

Das Kurzarbeitergeld wird durch den Arbeitgeber oder die Betriebsvertretung beantragt. Der Arbeitnehmer ist nicht antragsbefugt. Der Arbeitgeber wird für die Berechnung und Auszahlung des Kurzarbeitergeldes herangezogen (§ 320 Abs. 1 SGB III). Das Kurzarbeitergeld ist für den jeweiligen Kalendermonat innerhalb einer Ausschlussfrist von 3 Monaten zu beantragen (§ 325 Abs. 3 SGB III). Verletzt der Arbeitgeber die Anzeigepflicht oder beachtet er die Ausschlussfrist nicht, begründet das einen Schadenersatzanspruch des Arbeitnehmers (§ 280 Abs. 1 BGB).