Arbeitnehmerhaftung

Anwalt Arbeitnehmerhaftung Arbeitsrecht
Haftung des Arbeitnehmers im Arbeitsrecht

Bei meiner Arbeit als Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht stelle ich immer wieder fest, dass es wenig bekannt ist, wann ein Arbeitnehmer für einen Schaden des Arbeitgebers im Arbeitsrecht schadenersatzpflichtig ist. Da im Arbeitsrecht schnell sehr hohe Sachschäden oder Personenschäden entstehen, ist die Beantwortung der Frage nach der Arbeitnehmerhaftung von hoher Bedeutung. Die Haftungsfrage lässt sich auch oft nur durch Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts klären, da es im Arbeitsrecht Besonderheiten für eine Arbeitnehmerhaftung gibt, die sich in einer Haftungsbeschränkung äußern.

1. System der Arbeitnehmerhaftung im Arbeitsrecht

Will der Arbeitgeber einen ihm entstandenen Schaden ersetzt haben, muss er oder sein Rechtsanwalt im Arbeitsgerichtsprozess zunächst darlegen und beweisen, dass der Arbeitnehmer durch ein schuldhaftes pflichtwidriges Verhalten oder durch eine unerlaubte Handlung einen Schaden beim Arbeitgeber verursacht hat.

a) Pflichtverletzung oder unerlaubte Handlung

Der Rechtsanwalt prüft im Arbeitsrecht als Voraussetzung der Arbeitnehmerhaftung, ob der Arbeitnehmer eine ihn aus dem Arbeitsvertrag treffende Pflicht verletzt oder eine unerlaubte Handlung verübt hat.

aa) Welche Pflichten der Arbeitnehmer hat, muss durch Auslegung des Arbeitsvertrages ermittelt werden. Je nach Art der Beschäftigung ergeben sich unterschiedliche Pflichten. So hat er Obhuts- und Aufbewahrungspflichten an den vom Arbeitgeber zur Verrichtung der Arbeit zur Verfügung gestellten Werkzeugen, Materialien oder Gerätschaften. Wer als Kraftfahrer beschäftigt wird, hat die Straßenverkehrsvorschriften zu wahren (BAG 12.11.1998, Az. 8 AZR 221/97). Bei einer Tätigkeit in besonderer Vertrauensstellung (z. B. einem Kassierer) werden regelmäßig besondere Auskunfts-, Überwachungs- und Rechnungslegungspflichten gestellt (BAG 13.3.1964, Az. 1 AZR 100/63).

bb) Eine unerlaubte Handlung kann dann vorliegen, wenn es durch den Arbeitnehmer zur Beschädigung von dem Arbeitgeber gehörenden Gegenständen kommt. Das ist beispielsweise bei Verkehrsunfällen mit einem Fahrzeug, das der Arbeitgeber zur Verfügung gestellt hat, der Fall.

b) Kausalzusammenhang

Eine Arbeitnehmerhaftung kann im Arbeitsrecht nur dann entstehen, wenn ein Ursachenzusammenhang zwischen der Vertragsverletzung, dem Verletzungserfolg und den geltend gemachten Schäden vorliegt.
Ein solcher Zusammenhang liegt vor, wenn das vom Arbeitnehmer in Gang gesetzte Ereignis im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen geeignet ist, einen Schaden der fraglichen Art herbeizuführen (BAG 18.01.2007, Az. 8 AZR 234/06).

Ein Ursachenzusammenhang wird zudem nur da vorliegen, wo ein Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem Schadenseintritt besteht. Ein solcher ist dann gegeben, wenn der konkret geltend gemachte Schaden nach Art und Entstehungsweise unter den Schutzzweck der verletzten Norm fällt. Daher ist beispielsweise ein Arbeitnehmer, der eine vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist nicht einhält nicht verpflichtet, Inseratskosten des Arbeitgebers zu erstatten, wenn diese Kosten auch bei Einhaltung der Kündigungsfrist entstehen (BAG 26.03.1981, Az. 3 AZR 485/78).

c) Schaden

Bei der Arbeitnehmerhaftung ist jeder Nachteil als Schaden anzusehen, den der Arbeitgeber infolge eines bestimmten Ereignisses an seinen Rechtsgütern erleidet. Die Höhe des Schadens bestimmt sich nach der Differenz zwischen der tatsächlichen durch das Schadensereignis geschaffenen und der unter Ausschaltung dieses Ereignisses gedachten Lage (BGH 07.11.2000, Az. VI ZR 400/99). Umfasst werden sowohl Vermögens- als auch Nichtvermögensschäden. Ein Vermögensschaden ist jede in Geld bewerte Einbuße die der Geschädigte erleidet. Dazu zählen neben unmittelbaren Schäden auch mittelbare Schäden wie Folgekosten, die durch den Verlust eines Schadensfreiheitsrabattes (BAG 23.06.1981, Az. 3 AZR 648/79) oder durch eine erforderliche Einschaltung eines Rechtsanwalts (BGH 08.11.1994, Az. VI ZR 3/94) entstehen können.
Ein Nichtvermögensschaden ist insbesondere die Verletzung des Körpers, der Gesundheit und der Freiheit.

d) Verschulden

Grundsätzlich ist bei der Arbeitnehmerhaftung für Vorsatz und Fahrlässigkeit einzustehen. Dies regelt § 276 Abs. 1 S. 1 BGB. Abweichend von diesem Grundsatz kann jedoch etwas anderes gelten, wenn eine strengere oder mildere Arbeitnehmerhaftung entweder konkret arbeitsvertraglich vereinbart wurde oder sich aus dem übrigen Inhalt des Arbeitsverhältnisses ergibt.

aa) Vorsatz

Ein Arbeitnehmer handelt vorsätzlich, wenn er den Schadenseintritt vorausgesehen und gewollt hat, oder ihn vorausgesehen und zumindest billigend in Kauf genommen hat. Das Voraussehen des Schadens muss dabei umfassen, dass ihm auch die Rechtswidrigkeit des Schadens bewusst war (BGH 16.07.2002, Az. X ZR 250/00).

bb) Fahrlässigkeit

Im Rahmen der Fahrlässigkeit wird zwischen drei Erscheinungsformen unterschieden:

(1) Leichte Fahrlässigkeit

Die leichteste Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Arbeitnehmer von seiner Arbeitsleistung „abirrt“, er sich also beispielsweise vergreift oder vertut. Unter diese Form der Fahrlässigkeit fallen all diejenigen Fälle, in denen ein Schaden aufgrund eines bloßen Versehens entsteht und das Verschulden daher am untersten Rand angesiedelt werden kann.

(2) Mittlere Fahrlässigkeit

Dagegen ist eine mittlere Fahrlässigkeit gegeben, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen wird und der Schaden bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt für den Arbeitnehmer vorhersehbar und auch vermeidbar gewesen wäre.

(3) Grobe Fahrlässigkeit

Schließlich gibt es noch die Fälle der groben Fahrlässigkeit im Rahmen der Arbeitnehmerhaftung. Diese liegt vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen des konkreten Einzelfalls in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und dasjenige, was im konkreten Fall jedem hätte einleuchten müssen, missachtet wird. Bei der Beurteilung ob eine grobe Fahrlässigkeit vorliegt, kommt es unter anderem darauf an, ob der Arbeitnehmer nach seinen individuellen Fähigkeiten die objektiv gebotene Sorgfalt erkennen und auch erbringen konnte (BAG 18.01.2007, Az. 8 AZR 250/06). Eine Heranziehung subjektiver Besonderheiten des Arbeitnehmers kann im Rahmen der Beurteilung, ob der Vorwurf der schweren Fahrlässigkeit berechtigt ist, zu seiner Entlastung beitragen, z.B. wenn er im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses an einer Gedächtnis- oder Konzentrationsschwäche litt (BGH 08.07.1992, Az. IV ZR 223/91).

Grob fahrlässig ist es, wenn der Arbeitnehmer während seiner Arbeitszeit eine über den erlaubten Promillegrenzen liegende Alkoholisierung aufweist (BAG 23.01.1997, Az. 8 AZR 893/95), einen Gabelstapler fährt obwohl er nicht im Besitz einer entsprechenden Fahrerlaubnis ist und auch in sonstiger Weise nicht in die Bedienung eingewiesen wurde (BAG 18.04.2002, Az. 8 AZR 348/01) oder aber die Brieftasche mit den Tageseinnahmen eines Restaurants nicht genügend sicher verwahrt (BAG 15.11.2001, Az. 8 AZR 95/01).

Maßgeblich ist, dass dem Arbeitnehmer die grobe Fahrlässigkeit im Verhältnis zu seinem Arbeitgeber vorzuwerfen ist. Fälle, in denen die grobe Fahrlässigkeit im Verhältnis zu Dritten vorliegt, begründen nicht automatisch eine solche grobe Fahrlässigkeit im Verhältnis zum Arbeitgeber. Vielmehr ist diese beispielsweise dann zu verneinen, wenn die Fahrlässigkeit gegenüber Dritten darauf beruht, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ein mängelbehaftetes Fahrzeug überlässt (BAG 18.12.1970, Az. 1 AZR 177/70).

cc) Arbeitsüberlassung an Dritte

In Fällen in denen der Arbeitnehmer einen Dritten herangezogen hat und durch diesen Dritten Schäden beim Arbeitgeber verursacht werden, muss bei der Beurteilung, ob den Arbeitnehmer ein Verschulden trifft, differenziert werden:

(1) War die Arbeitsübertragung rechtswidrig, was beispielsweise dann der Fall ist, wenn er den ihm vom Arbeitgeber überlassenen Kraftwagen rechtswidrig dem Dritten überlässt, trifft den Arbeitnehmer ein Verschulden.
(2) Durfte der Arbeitnehmer zur Erfüllung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten einen Dritten einstellen, haftet er für das Verschulden des Dritten gemäß § 278 BGB.
(3) Der Arbeitnehmer, der einen Dritten als Gehilfen einstellt, haftet bezüglich der Auswahl des Dritten gemäß § 276 BGB für Vorsatz und Fahrlässigkeit und, sofern ihm der Dritte zur Arbeit zugeteilt wurde, auch für dessen Beaufsichtigung (BAG 11.11.1976, Az. 3 AZR 266/75).

dd) Darlegungs- und Beweislast

Bezüglich des Verschuldens des Arbeitnehmers trägt der Arbeitgeber oder der beauftragte Rechtsanwalt im arbeitsrechtlichen Gerichtsverfahren die Darlegungs- und Beweislast gem. § 619 a BGB (BAG 17.09.1998, Az. 8 AZR 175/97). Hat sich das schädigende Ereignis in der Sphäre des Arbeitnehmers zugetragen, dürfen bezüglich der Darlegungs- und Beweislast jedoch keine zu hohen Anforderungen an den Arbeitgeber gestellt werden. Trägt der Arbeitgeber oder der Rechtsanwalt Indizien vor, die auf ein haftungsbegründendes Verschulden hinweisen, sind diese sorgfältig zu würdigen. Beim Vorliegen tatsächlicher Umstände, welche auf ein grob fahrlässiges Verhalten schließen lassen, muss der Arbeitnehmer ihn entlastende Tatsachen konkret vortragen (BAG 22.02.1972, Az. 1 AZR 223/71).

2. Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung im Arbeitsrecht

Im Arbeitsrecht haftet der Arbeitnehmer nur beschränkt für von ihm verursachte Schäden. Die entwickelten Grundsätze zur Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung können nicht zu Lasten des Arbeitnehmers abbedungen werden und daher auch nicht durch einzel- oder kollektivvertragliche Regelungen ausgeschlossen werden (BAG 05.02.2004, Az. 8 AZR 91/03).
Die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung setzt stets das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses voraus. Zudem muss der Schaden einer betrieblich veranlassten Tätigkeit entspringen und der Grad des Verschuldens eine Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung rechtfertigen.

a) Persönlicher Geltungsbereich

Die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung gilt für alle Arbeitnehmer und auch für leitende Angestellte und Auszubildende (BAG 11.11.1976, Az. 3 AZR 266/75). Bei Leiharbeitnehmern sind die Grundsätze der Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung sowohl im Verhältnis zum Verleiher, als Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers, als auch im Verhältnis zum Entleiher anwendbar, da der Entleiher den Arbeitnehmer in den Betriebsablauf eingliedert und Weisungen erteilt (BAG 15.02.1974, Az. 2 AZR 57/73).

Maßgebliches Kriterium für die Beurteilung, ob der persönliche Geltungsbereich eröffnet ist, ist die Weisungsgebundenheit gegenüber dem Arbeitgeber. Bei arbeitnehmerähnlichen Personen, wie beispielsweise Heimarbeitern, findet die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung daher keine Anwendung. Im Vergleich zu Arbeitnehmern sind diese Personen persönlich unabhängig und unterliegen keiner Weisungsgebundenheit gegenüber dem Arbeitgeber. Auch für Selbstständige und freie Mitarbeiter (BGH 07.10.1969, Az. VI ZR 223/67) sowie Vorstandmitglieder einer Aktiengesellschaft oder Geschäftsführer einer GmbH (BGH 14.02.1985, Az. IX ZR 145/83), gelten die Grundsätze der eingeschränkten Arbeitnehmerhaftung nicht.

b) Betrieblich veranlasste Tätigkeit

Weitere Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Grundsätze zur eingeschränkten Arbeitnehmerhaftung ist, dass der Schaden im Rahmen einer betrieblich veranlassten Tätigkeit des Arbeitnehmers entstanden ist (BAG GS 27.09.1994, Az. GS 1/89 (A)). Darunter versteht man Tätigkeiten, die ihm arbeitsvertraglich übertragen worden sind oder die er im Interesse des Arbeitgebers für dessen Betrieb ausführt. Die Tätigkeit muss nicht zum eigentlichen Aufgabenkreis des Beschäftigten gehören. Vielmehr genügt es, wenn er im Interesse des Arbeitgebers tätig wird, wobei diese Beurteilung anhand einer objektiven Betrachtung erfolgt, bei welcher aus Sicht des Arbeitnehmers geprüft wird, ob dieser im Betriebsinteresse gehandelt hat und sein Verhalten unter Berücksichtigung der Verkehrsüblichkeit nicht untypisch und/oder überzogen war. Handlungen des Arbeitnehmers, die in keinerlei Zusammenhang zur betrieblichen Tätigkeit stehen, führen daher nicht zur Einschränkung der Arbeitnehmerhaftung.

Eine betrieblich veranlasste Tätigkeit liegt nicht bereits dann vor, wenn der Arbeitnehmer im Betrieb anwesend war und diese Anwesenheit ihm erst die Gelegenheit zur Schadensverursachung gab. Ein lediglich räumlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und der Arbeit genügt nicht. Auch die bloße Benutzung eines Betriebsmittels lässt nicht automatisch auf eine betrieblich veranlasste Tätigkeit schließen (BAG 18.04.2002, Az. 8 AZR 348/01). Maßgeblich ist, dass die jeweilige Tätigkeit als solche dem Geschuldeten entspricht, mag dies auch nicht für die Art und Weise der Durchführung gelten. Ein Arbeitnehmer, der mit einem ihm auch zur privaten Nutzung überlassenen Dienstwagen im Rahmen seiner arbeitsvertraglichen Tätigkeit einen Unfall erleidet, kann sich daher auf eine betrieblich veranlasste Tätigkeit und die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung berufen (BAG 05.02.2004, Az. 8 AZR 91/03). Eine solche Tätigkeit liegt jedoch dann nicht vor, wenn er mit seinem ihm auch zur privaten Nutzung überlassenen Dienstwagen auf dem Weg zur Arbeit oder dem Heimweg einen Schaden verursacht (LAG Kn. 15.09.1998, Az. 13 Sa 367/98).

Auch bei einem Schaden aufgrund einer unerlaubten Handlung des Arbeitnehmers kann eine Einschränkung der Arbeitnehmerhaftung zumindest da greifen, wo die unerlaubte Handlung betrieblich veranlasst ist.
Das Vorliegen einer betrieblich veranlassten Tätigkeit und eine damit einhergehende mögliche Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung wirken zugunsten des Arbeitnehmers. Der Rechtsanwalt hat die Darlegungs- und Beweislast dahingehend, dass eine solche Tätigkeit tatsächlich vorlag (BAG 18.04.2002, Az. 8 AZR 348/01).

c) Einschränkung der Arbeitnehmerhaftung im Arbeitsrecht

Liegen die Voraussetzungen der Haftungsbeschränkung im Arbeitsrecht vor, kann die Einschränkung der Arbeitnehmerhaftung im Hinblick auf die Art des Verschuldens erfolgen, aber auch bezüglich einer summenmäßigen Begrenzung.

aa) Verschulden

Bei der betrieblich veranlassten Arbeitnehmerhaftung muss sich das Verschulden nicht nur auf die Pflichtverletzung, sondern auch auf den Eintritt des Schadens beziehen (BAG 18.01.2007, Az. 8 AZR 250/06).

(1) Für vom Arbeitnehmer vorsätzlich verursachte Schäden muss dieser in vollem Umfang haften. Eine Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung greift nicht ein.

(2) Auch für grobe Fahrlässigkeit ist grundsätzlich vollumfänglich einzustehen. Nur ausnahmsweise ist eine Erleichterung der Arbeitnehmerhaftung möglich (BAG 18.01.2007, Az. 8 AZR 250/06). Das kann der Fall sein, wenn der Verdienst des Arbeitnehmers in einem deutlichen Missverhältnis zum verwirklichten Schadensrisiko steht, wobei ein solches Risiko jedoch nicht schon dann vorliegt, wenn der Schaden nicht erheblich über einem Bruttomonatsverdienst liegt. Eine Erleichterung der Arbeitnehmerhaftung kann auch in dem Fall eingreifen, in dem der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer, von dem er weiß, dass er keine Fahrerlaubnis besitzt, als Fahrzeugführer im öffentlichen Straßenverkehr einsetzt und er daraufhin einen grob fahrlässig verursachten Unfall herbeiführt (BAG 23.06.1988, Az. 8 AZR 300/85). Aber auch in solchen Fällen führt eine besonders grobe Fahrlässigkeit des Arbeitnehmers, beispielsweise bei Unfallverursachung durch starke Alkoholisierung, nicht zu einer Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung.

Kann dem Arbeitnehmer mittlere Fahrlässigkeit angelastet werden, trägt er den Schaden im Rahmen der Arbeitnehmerhaftung anteilig. Der Umfang der Arbeitnehmerhaftung richtet sich dabei nach den Gesamtumständen. Dabei kommt es insbesondere auf den Schadensanlass und die Schadensfolgen an. Entscheidend sind unter anderem die Höhe des Schadens, die Gefahrgeneigtheit der Arbeit, die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb und die Höhe seines Arbeitsentgelts sowie persönliche Umstände wie beispielsweise Dauer der Betriebszugehörigkeit und das bisherige Verhalten des Arbeitnehmers (BAG 18.04.2002, Az. 8 AZR 348/01).

Beruht der Schaden auf lediglich leichtester Fahrlässigkeit, haftet der Arbeitnehmer gar nicht.

bb) Summenmäßige Begrenzung

Zwar gibt es eine absolute summenmäßige Haftungsbeschränkung nicht, jedoch ist eine summenmäßige Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung da möglich, wo es die Umstände des Einzelfalls hergeben (BAG 28.10.2010 Az. 8 AZR 418/09). Wann solche Umstände gegeben sind, ist bisher nicht höchstrichterlich geklärt. Das BAG hat jedoch in einer Entscheidung ausgeführt, dass in einem Fall grober Fahrlässigkeit ein deutliches Missverhältnis zwischen Schaden und Arbeitsentgelt dann noch nicht vorliegt, wenn sich die Höhe des Schadens auf etwa 3,5 Bruttomonatsgehälter beläuft (BAG 18.01.2007 Az. 8 AZR 250/06).

d) Mitverschulden

Die Arbeitnehmerhaftung kann auch dann im Arbeitsrecht beschränkt sein, wenn den Arbeitgeber ein Mitverschulden am Schaden gemäß § 254 BGB trifft.
Ein solches Mitverschulden kann vorliegen, wenn der Verletzte bei der Entstehung des Schadens mitgewirkt hat oder es unterlassen hat, den drohenden Schaden abzuwenden oder den bereits eingetretenen Schaden zu mindern.

Der Anknüpfungspunkt für ein mögliches Mitverschulden des Arbeitgebers liegt darin, dass er für die Gestaltung der Arbeitsbedingungen und die Organisation des Betriebs verantwortlich ist. Der Arbeitnehmer wird sich dagegen regelmäßig den vorgegebenen Arbeitsbedingungen zu fügen haben, so dass die vom Arbeitgeber gesetzte Organisation des Betriebs zugleich das Haftungsrisiko des Arbeitnehmers prägt (BAG GS 27.09.1994, Az. GS 1/89 (A)). Daran orientiert sich auch ein mögliches Mitverschulden des Verletzten. Hat beispielsweise der Arbeitnehmer bei der Entstehung des Schadens fahrlässig, der Arbeitgeber dagegen vorsätzlich gehandelt, entfällt die Arbeitnehmerhaftung des lediglich fahrlässig handelnden Arbeitnehmers.

Ein Mitverschulden des Arbeitgebers bei der Arbeitnehmerhaftung liegt beispielsweise vor wenn er dem Arbeitnehmer erforderliche Weisungen nicht erteilt (BAG 07.07.1970, Az. 1 AZR 507/69), mangelhafte Arbeitsgeräte oder –materialien zur Verfügung stellt (BAG 18.12.1970, Az. 1 AZR 177/70) oder die Arbeit nicht hinreichend organisiert.

Den Arbeitgeber kann zudem ein Mitverschulden treffen, wenn er es unterlassen hat, auf die Gefahr des Eintritts eines ungewöhnlich hohen Schadens hinzuweisen. So kann von einem Mitverschulden ausgegangen werden, wenn er den Arbeitnehmer, welcher im Besitz eines Generalschlüssels ist nicht darauf hinweist, dass bei Schlüsselverlust ein Austausch der Schlösser erfolgen muss und der Arbeitgeber es zudem unterlassen hat, in diesem Zusammenhang die ungefähre Höhe der dadurch entstehenden Kosten anzugeben.

Ein Mitverschulden trifft auch den Arbeitgeber im Rahmen der Arbeitnehmerhaftung, der eine Schadensabwendung oder -minderung trotz ihm zur Verfügung stehender und ihm auch zumutbarer Mittel unterlassen hat (BAG 16.02.1995, Az. 8 AZR 493/93). Ein Mitverschulden kann demnach in den Fällen bejaht werden, in denen der Arbeitgeber die geschädigte Sache nicht vor einem weiteren Verfall schützt oder nicht unverzüglich reparieren lässt.

Der Arbeitnehmer kann sich im Rahmen der Arbeitnehmerhaftung auch auf ein Mitverschulden des Vorgesetzten berufen. Ein Assistenzarzt handelt daher nicht grob fahrlässig, wenn er sich fachlichen Weisungen eines ihm vorgesetzten, höher qualifizierten und wesentlich erfahreneren Oberarztes nicht widersetzt, obwohl diese grob falsch waren (BAG 04.05.2006, Az. 8 AZR 311/05). Auf ein Mitverschulden eines ihm unterstellten Mitarbeiters kann sich der Arbeitnehmer bei der Arbeitnehmerhaftung dagegen nicht berufen (BAG 25.09.1997, Az. 8 AZR 288/96).

e) Gefahrgeneigtheit der Arbeit

Bei der Gesamtabwägung ob und in welcher Höhe eine Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung stattfindet, kann zudem die Gefahrgeneigtheit der Arbeit herangezogen werden. Eine gefahrgeneigte Arbeit liegt im Arbeitsrecht vor, wenn es die Eigenart der zu leistenden Arbeit mit großer Wahrscheinlichkeit mit sich bringt, dass auch einem sorgfältigen Arbeitnehmer gelegentlich Fehler unterlaufen, die für sich allein betrachtet zwar jedes Mal vermeidbar wären, mit denen aber angesichts der menschlichen Unzulänglichkeit, als mit einem typischen Abirren der Dienstleistung, erfahrungsgemäß zu rechnen ist (BAG 25.09.1957, Az. GS 4/56).

Maßgebliches Beurteilungskriterium ist die Frage, ob nach den Umständen des Einzelfalls eine konkrete Gefahrenlage besteht. Eine konkrete Gefahrenlage wird unter anderem bei der Tätigkeit als Kraftfahrer (BAG 18.12.1970, Az. 1 AZR 171/70), Maschinenmeister oder Lokomotivführer bejaht, aber auch bei Arbeitnehmern mit eilig zu fassenden weitreichenden Entschlüssen oder bei Arbeitnehmern welche eine Bauaufsicht ausüben (BAG 11.11.1976, Az. 3 AZR 266/75). Auswirkungen auf eine mögliche Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung hat das Vorliegen einer gefahrgeneigten Tätigkeit aber nur dann, wenn für den Schaden ein im Zusammenhang mit der gefahrgeneigten Arbeit stehender Umstand ursächlich war.
Dass die von ihm ausgeübte Tätigkeit als gefahrgeneigt anzusehen ist, hat der Arbeitnehmer bzw. sein Anwalt im Arbeitsrechtsprozess darzulegen und zu beweisen (LAG Bln. 28.10.1976, Az. 7 Sa 87/76).

f) Haftpflichtversicherung

Der Arbeitnehmer kann sich nicht auf die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung im Arbeitsrecht berufen, wenn zu seinen Gunsten eine gesetzlich vorgeschriebene Haftpflichtversicherung eingreift. Eine solche Pflichtversicherung erfolgt da, wo der Gesetzgeber Risiken einplant, die so gefahrträchtig sind, dass der Handelnde im Hinblick auf mögliche Gefahren für andere nicht ohne Versicherungsschutz tätig sein soll. Ein Ausschluss der Haftungsbeschränkung greift aber dort nicht ein, wo sich der Arbeitnehmer gegen das Risiko seiner betrieblichen Tätigkeit freiwillig selbst versichert hat (BAG 28.10.2010, Az. 8 AZR 418/09). Eine solche freiwillig abgeschlossene private Haftpflichtversicherung haftet nur in dem Umfang, in dem der Arbeitnehmer selbst haftet (BAG 25.09.1997, Az. 8 AZR 288/96).

g) Mitwirkung Dritter

Bei einem Schaden, der sowohl auf dem Verhalten des Arbeitnehmers als auch auf dem Verhalten eines Dritten beruht, kommt eine zu Gunsten des Arbeitnehmers eingreifende Einschränkung der Arbeitnehmerhaftung dem Dritten nicht zugute. Vielmehr kann der Arbeitgeber den Dritten unabhängig von der Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung in Anspruch nehmen.

3. Schädigung eines betriebsfremden Dritten durch den Arbeitnehmer

Da die Grundsätze zur Einschränkung der Arbeitnehmerhaftung nur im Verhältnis zum Arbeitgeber gelten (BGH 19.09.1989, Az. VI ZR 349/88), kann sich der Arbeitnehmer im Außenverhältnis nicht darauf berufen. Verletzt er daher durch eine schädigende Handlung allein oder mit dem Arbeitgeber einen betriebsfremden Dritten, haftet er diesem ohne dass die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung Anwendung findet. Arbeitnehmer und Arbeitgeber haften dem Dritten im Außenverhältnis als Gesamtschuldner.

Im Innenverhältnis erlangt der Arbeitnehmer jedoch einen Freistellungsanspruch von der Arbeitnehmerhaftung gemäß § 257 BGB, soweit der Arbeitgeber verpflichtet ist, den Schaden zu tragen. Dieser Freistellungsanspruch beruht auf der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers (BAG 23.06.1988, Az. 8 AZR 300/85), wonach dieser gehalten ist, seinen Arbeitnehmer von einer privaten Haftung zu bewahren wenn dies die Umstände des Einzelfalls rechtfertigen.

Hat der Arbeitnehmer den Schaden bereits voll ausgeglichen, kann er von seinem Arbeitgeber vollen oder teilweisen Ersatz verlangen. Der Freistellungsanspruch wandelt sich dann in einen Erstattungsanspruch um.
Wurde zwischen Arbeitgeber und dem geschädigten Dritten ein vertraglicher Haftungsausgleich vereinbart, entfaltet dieser, um eine Benachteiligung des Arbeitnehmers zu verhindern, Schutzwirkung auch zugunsten des Arbeitnehmers, so dass ein solcher Haftungsausschluss auch einen Anspruch des Dritten gegen den Arbeitnehmer ausschließt (BGH 21.12.1993, Az. VI ZR 103/93).

4. Schädigung eines Arbeitskollegen durch den Arbeitnehmer

Verursacht ein Arbeitnehmer bei einem im selben Betrieb beschäftigten Arbeitskollegen Schäden, muss bei der Frage nach der Arbeitnehmerhaftung zwischen Sach- und Personenschäden unterschieden werden.

a) Sachschäden

Grundsätzlich ist der Arbeitnehmer seinem Kollegen bei Vorliegen eines Sachschadens zum vollen Schadensersatz verpflichtet. Der Arbeitnehmer erlangt jedoch gegen seinen Arbeitgeber einen Freistellungsanspruch, wenn der Arbeitgeber verpflichtet wäre, den Schaden selbst zu tragen, wenn er selbst geschädigt worden wäre.

b) Personenschäden

Erleidet der Arbeitskollege einen Personenschaden, gelten die §§ 104 ff. SGB VII. Nach diesen Vorschriften scheiden Schadensersatzansprüche des Geschädigten gegen den Arbeitnehmer aus, wenn dieser den Arbeitsunfall durch eine betriebliche Tätigkeit verursacht hat (BAG 24.06.2004, Az. 8 AZR 292/03). Von diesem Haftungsausschluss sind neben immateriellen Schäden (Schmerzensgeld) auch Vermögensschäden wegen der Verletzung oder Tötung des Geschädigten umfasst. Der Ausschluss der Arbeitnehmerhaftung gilt jedoch nicht, wenn der Arbeitnehmer den Arbeitsunfall vorsätzlich herbeigeführt hat.

5. Mankohaftung im Arbeitsrecht

Unter Umständen kann der Arbeitnehmer auch zu einer sogenannten Mankohaftung herangezogen werden. Unter Manko versteht man den Schaden der entsteht, wenn ein anvertrauter Warenbestand oder eine vom Arbeitnehmer geführte Kasse, einen Fehlbetrag aufweist.

Der Arbeitnehmer kann arbeitsvertraglich verpflichtet werden für das Manko zu haften. Fehlt eine vertragliche Mankoabrede, können bezüglich der Arbeitnehmerhaftung die allgemeinen Schadensersatzansprüche wegen einer Pflichtverletzung oder einer unerlaubten Handlung herangezogen werden. Wird eine Mankohaftung vertraglich vereinbart, muss beachtet werden, dass eine vom Verschulden unabhängige Garantiehaftung des Arbeitnehmers unwirksam ist, wenn durch sie zu Lasten des Arbeitnehmers von den Grundsätzen der Einschränkung der Arbeitnehmerhaftung im Arbeitsverhältnis abgewichen wird.

Dem Arbeitnehmer, dem die Verwahrung eines Waren- oder Kassenbestandes übertragen worden ist, kann sich, wenn der Arbeitgeber einen Schadensersatzanspruch wegen eines Mankos geltend macht, auf eine Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung bei einer betrieblich veranlassten Tätigkeit berufen. Auch die bereits ausgeführten Erwägungen zum Mitverschulden sind bei der Arbeitnehmerhaftung heranziehen. So ist grundsätzlich im Falle einer Mankohaftung zu prüfen, ob der Arbeitgeber seiner Pflicht zur Schadensverhütung oder –minderung nachgekommen ist (BAG 26.01.1971, Az. 1 AZR 252/70). Auch Organisationsmängel oder fehlende Überwachung seitens des Arbeitgebers führen grundsätzlich zu dessen Mitverschulden am entstandenen Manko (BAG 18.06.1970, Az. 1 AZR 520/69).