Mindestlohn

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Mindestlohn

Seit dem 1. Januar 2015 gilt im Arbeitsrecht ein Mindestlohn. Die gesetzliche Grundlage ist das sog. Mindestlohngesetz (MiLoG). Die Einhaltung des Mindestlohns wird von der Zollverwaltung kontrolliert. Verstöße gegen das Gesetz können mit Geldbußen von bis zu 500.000 Euro geahndet werden.
Wir möchten hier als Rechtsanwälte für Arbeitsrecht einen Überblick zu den wichtigsten Fragen des Mindestlohnes geben.

Der gesetzliche Mindestlohn setzt eine feste Untergrenze für den Arbeitslohn, die in Zukunft nicht mehr unterschritten werden darf. Der Mindestlohn kann vertraglich nicht ausgeschlossen werden. Somit schützt der Mindestlohn Beschäftigte im Niedriglohnsektor vor Dumpinglöhnen und soll so die Zahl der Arbeitnehmer, die trotz Vollzeitbeschäftigung auf Sozialleistungen angewiesen sind, verringern.
Dabei ist es unerheblich, ob der Arbeitgeber seinen Sitz im In- oder Ausland hat. Entscheidend ist nur, dass der Arbeitgeber verpflichtet sind, die in Deutschland angestellten Arbeitnehmer mit dem Mindestlohn zu vergüten. Damit gilt auch für ausländische Arbeitnehmer von in- und ausländischen Unternehmen der Mindestlohn, sofern sie in Deutschland tätig sind.

1. Personeller Anwendungsbereich für den Mindestlohn

Für einige Personengruppen gilt der Mindestlohn nicht. Dies ist z. B. der Fall für:
a) Auszubildende,
b) Langzeitarbeitslose in den ersten sechs Monaten ihrer Beschäftigung,
c) in Werkstätten beschäftigte körperlich oder geistig benachteiligte Menschen,
d) Jugendliche unter 18 Jahren ohne abgeschlossene Berufsausbildung,
e) Praktikanten, die ein Pflichtpraktikum nach der Schul-, Ausbildungs- oder Studienordnung leisten,
f) Praktikanten, die ein Orientierungspraktikum von bis zu drei Monaten vor oder begleitend während der Berufsausbildung oder dem Studium leisten,
g) Personen im Rahmen ihres Ehrenamtes und
h) Personen im Rahmen von Berufseinstiegs- und Vorbereitungsqualifizierungen.

2. Berechnung des Mindestlohnes

Grundsätzlich fallen unter den Mindestlohn nach dem MiLoG die sog. Vollarbeit, d. h. alle Zeiten, in denen der Arbeitnehmer tatsächlich Arbeit verrichtet. Pausenzeiten sind also grundsätzlich nicht zu vergüten.

a) Mindestlohn als Zeitlohn

Der Mindestlohnanspruch ist ein gesetzlicher Anspruch, der eigenständig neben den arbeits- oder tarifvertraglichen Entgeltanspruch tritt.

aa) Berechnung je Arbeitsstunde

Der Mindestlohn bezieht sich auf eine „Zeitstunde“. Es ist also jede Stunde in der tatsächlich gearbeitet wurde, mit wenigstens 8,50 € zu vergüten. Jedoch kann ein Zeitlohn nicht nur nach Stunden, sondern auch nach anderen Zeiteinheiten – etwa Monaten – berechnet werden. Der Arbeitslohn muss dann in einen stündlichen Zeitlohn umgerechnet werden, um ihn mit dem Mindestlohn vergleichen zu können. Bei einer Bruttomonatsvergütung muss das Verhältnis aus der vereinbarten Bruttomonatsvergütung einschließlich aller Vergütungsbestandteile und der Summe der monatlichen Arbeitsstunden des betroffenen Arbeitnehmers, den Mindestlohnsatz erreichen oder überschreiten.
Bei einer Arbeit auf Abruf und bei einem vereinbarten Jahresarbeitsentgelt wird dem Grunde nach genauso verfahren. Das Verhältnis aus gezahltem Arbeitslohn und tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden, muss den Mindestlohnsatz erreichen.

Im Falle von Leistungslohn ist der jeweilige Geldfaktor so zu bemessen, dass für eine „Normalleistung“ die Höhe des Mindestlohns pro Stunde erreicht wird. Beispielsweise ist dann bei der Zeitungszustellung der Arbeitslohn pro verteilter Zeitung so zu bemessen, dass eine Normalleistung in dem Erfüllungszeitraum (frühe Morgenstunden) eine Mindestentlohnung von 8,50 € in der Stunde ergibt. Das gleiche gilt für Akkordlohnsysteme. Bei stark schwankenden Provisionen ist zur Berechnung des Stundenlohns auf einen längeren Zeitraum, etwa 3 bis 4 Monate abzustellen.

bb) Darlegungslast im Arbeitsrechtsstreit

Da der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn mit jeder geleisteten Arbeitsstunde entsteht, muss der Anwalt im Arbeitsrechtsstreit die geleisteten Arbeitsstunden im einzelnen genau darlegen. Die Behauptung einer aus dem Durchschnitt eines Zeitraums ermittelten Stundenzahl ersetzt den notwendigen Vortrag nicht. Es ist also nicht ausreichend, wenn der Arbeitnehmer den Mindestlohn anhand der arbeitsvertraglich vereinbarten monatlichen Stundenzahl berechnet hat. Das gilt insbesondere, wenn in dieser Stundenanzahl Zeiten ohne Arbeitsleistung, aber fortbestehenden Vergütungsanspruch enthalten sind (z. B. Feiertage, Urlaub, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall) für die mangels Arbeitsleistung kein Anspruch auf den Mindestlohn besteht (BAG 25.05.2016 Az. 5 AZR 135/16).

b) Lohnzuschläge

aa) Sachbezüge und Trinkgelder

Der Mindestlohn kann auch durch Leistung von Sachbezügen, also Arbeitsvergütung in anderer Form als Geld erreicht werden, soweit deren Wertumrechnung in Geld ergibt, dass dem Arbeitnehmer der Mindestlohn erhalten bleibt. Demgegenüber werden Trinkgelder dem Mindestlohn nicht hinzugerechnet.

bb) Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst

Der Mindestlohn ist auch für Arbeiten außerhalb der Vollarbeitszeit, wie Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst zu zahlen, soweit keine andere einzelvertragliche bzw. tarifvertragliche Regelung besteht (BAG 29.06.2016 Az. 5 AZR 716/15). Wird also tarifvertraglich für die Bereitschaftszeit ein geringerer Arbeitslohn als der Mindestlohn vereinbart, muss nur der geringere Arbeitslohn bezahlt werden (BAG 19.11.2014, Az. 5 AZR 1101/12). Für eine Rufbereitschaft muss dagegen kein Mindestlohn gezahlt werden, da sich der Arbeitnehmer hier nicht am Arbeitsplatz aufhalten muss, sondern nur jederzeit erreichbar sein muss (LAG Hessen 21.11.2016 Az. 16 Sa 1257/15).

cc) Zulagen

Ob Lohnzuschläge auf den Mindestlohn anzurechnen sind oder den Mindestlohn von 8,50 EUR erhöhen sollen, muss sich aus dem jeweiligen Gesetzeszweck ergeben. Der Nachtarbeitszuschlag ist z.B. nicht auf den Mindestlohn anrechenbar, denn in § 6 Abs. 5 ArbZG ist bestimmt, dass für Nachtarbeit ein angemessener Zuschlag zu zahlen ist. Der Nachtarbeitszuschlagt ist also extra zu zahlen.
Demgegenüber werden i.d.R. Überstundenzuschläge, Feiertagszuschläge, Sonntagszuschläge, Wechselschichtzulagen, Erschwerniszulagen, Treueprämien und Leistungsprämien als Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung gewährt. Sie stellen deshalb Arbeitsentgelt dar. Für diese Lohnzuschläge gibt es kein Gesetz, welches der Anrechnung auf den Mindestlohn entgegensteht. Demzufolge können diese Lohnzahlungen auf den Mindestlohn angerechnet werden, also zum Nachteil des Arbeitnehmers berücksichtigt werden. Sie sind nicht zusätzlich zum gesetzlichen Mindestlohn gechuldet (BAG 25.05.2016, Az. 5 AZR 135/16).

c) Sonderzahlungen

Sonderzahlungen, wie Weihnachtsgeld, sind dann auf den Mindestlohn anzurechnen, wenn diese Zahlungen auch als Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung erfolgen. Sie können also auch zum Nachteil des Arbeitnehmers berücksichtigt werden.
Verfolgen jedoch die Sonderzahlungen das Ziel andere Zwecke zu entlohnen, wie z. B. die zukünftige Betriebstreue, dann können die Sonderzahlungen nicht auf den Mindestlohn angerechnet werden. Sie sind dann zusätzlich zu vergüten und erhöhen den Mindestlohn (BAG 25.05.2016, Az. 5 AZR 135/16).

aa) Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld

Beim Urlaubsgeld ist also durch den Anwalt für Arbeitsrecht zu prüfen, ob die Zahlung erhöhte Urlaubsaufwendungen abdecken soll. Wenn das der Fall ist, dann handelt es sich nicht um eine Gegenleistung für die Arbeitsleistung und das Urlaubsgeld wäre nicht auf den Mindestlohn anrechenbar, ist also zusätzlich zu zahlen. Urlaubsgeld, Urlaubslohn, Feiertagsvergütung und Urlaubsentgelt werden deshalb regelmäßig nicht als Gegenleistung für geleistete Arbeit gezahlt, sondern für Zeiten ohne Arbeitsleistungen. Mindestlohnansprüche können damit nicht erfüllt werden (BAG 20.09.2017 Az. 10 AZR 171/16).
Gleiches gilt auch für das Weihnachtsgeld. Wird hier durch den Rechtsanwalt für Arbeitsrecht festgestellt, dass mit der Zahlung die zukünftige Betriebstreue belohnt werden soll, dann handelt es sich nicht um eine Gegenleistung für die Arbeitsleistung und es wäre nicht auf den Mindestlohn anrechenbar, wäre also auch zusätzlich zu zahlen.

bb) Aufwandsentschädigungen

Sonstige Zahlungen, die keine Gegenleistung für die Arbeitsleistung darstellen, sind dem Mindestlohn ebenfalls nicht anzurechnen, also extra zu vergüten. Dazu zählen Kosten- und Aufwandsentschädigungen, die zum Ausgleich höherer Lebenshaltungskosten gezahlt werden, wie z. B. Erstattung von Reisekosten, Unterbringungskosten, Essenmarken und Fortbildungskosten. Auch Beiträge zur betrieblichen Altersvorsorge und vermögenswirksame Leistungen sind dem Mindestlohn nicht anzurechnen und damit extra zu vergüten (EuGH 07.11.2013, Az. C-522/12).
Im Fall der Arbeitsunfähigkeit bei Krankheit muss der Mindestlohn im Wege der Entgeltfortzahlung geleistet werden (BAG 13.05.2015, Az. 10 AZR 191/14).

3. Fälligkeit des Mindestlohnes

Wann der Arbeitslohn zu zahlen ist, ergibt sich i.d.R. aus dem Arbeitsvertrag. Ist keine Vereinbarung darüber getroffen, so ist die Arbeitsvergütung nach § 614 BGB nach der Arbeit bzw. nach Ablauf der Zeitabschnitte in dem die Arbeit verrichtet wurde, zu leisten. Der Mindestlohn muss allerdings spätestens am letzten Bankarbeitstag des Monats bezahlt werden, der auf den Monat folgt, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde. Die nicht rechtzeitige Zahlung des Mindestlohnes kann zu einem Bußgeld führen. Diese Regelung gilt nicht, wenn die Arbeitszeit des Arbeitnehmers auf einem Arbeitszeitkonto geführt wird.

4. Vertragliche Ausschlussfristen zum Mindestlohn

Das Mindestlohngesetz (MiLoG) ist am 16.08.2014 in Kraft getreten und der erste Mindestlohnanspruch ist am 01.01.2015 entstanden. Arbeitsvertragliche Verfallsklauseln, die ohne Einschränkung alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und damit auch den ab dem 01.01.2015 gem. § 1 MiLoG garantierten Mindestlohn umfassen, verstoßen gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 BGB und sind insgesamt unwirksam, wenn der Arbeitsvertrag nach dem 31.12.2014 geschlossen wurde (BAG 18.09.2018 Az. 9 AZR 162/18).
Wurde der Arbeitsvertrag vor Inkrafttreten des MiLoG abgeschlossen, dann ist eine Verfallsklausel die auch Mindestlohnansprüche umfasst, lediglich gem. § 3 S. 1 MiLoG teilunwirksam. Es bleibt dann bei der nach dem MiLoG vorgesehenen Teilunwirksamkeit einer „überschießenden“ Verfallklausel, weil eine bei Vertragsschluss transparente Klausel nicht durch eine spätere Änderung der Rechtslage intransparent wird (BAG 17.04.2019 Az. 5 AZR 331/18).

Der Anspruch auf Entgeltforzahlung im Krankheitsfall kann nicht in Höhe des Mindestlohnes einer Ausschlussfrist unterworfen werden. Die entsprechende Ausschlussfrist in § 14 BRTV für das Baugewerbe ist deshalb insoweit unwirksam, als sie die Geltendmachung der Entgeltfortzahlung auf den Mindestlohn beschränkt. Der Arbeitnehmer muss auch im Krankheitsfall den Mindestlohn als untere Grenze des fortzuzahlenden Entgelts erhalten (BAG 20.06.2018 Az. 5 AZR 377/17).

5. Dokumentationspflichten zur Arbeitszeit

Die Dokumentationspflicht gilt generell nur für geringfügig Beschäftigte (Ausnahme: Minijobber im privaten Bereich) und den im Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz genannten Wirtschaftsbereichen, in denen eine besondere Missbrauchsgefahr besteht. Dazu zählen z.B. das Baugewerbe, Gaststätten und Herbergen, Speditions-, Transport und Logistikbereich, Unternehmen der Forstwirtschaft, Gebäudereinigung, Messebau und Fleischwirtschaft. Auch Zeitungszusteller und Beschäftigte bei Paketdiensten müssen regelmäßig ihre Arbeitszeit aufzeichnen.
Auf einem Zettel oder Vordruck muss der Arbeitgeber notieren bzw. notieren lassen:
– den Beginn der Arbeitszeit (für jeden Arbeitstag),
– das Ende der Arbeitszeit (ebenfalls für jeden Arbeitstag),
– die Dauer der täglichen Arbeitszeit ohne Pausenzeiten.

Des Weiteren sind zu berücksichtigen:
a) Es ist egal, ob die Liste handschriftlich oder maschinell erstellt und ausgefüllt wird, Unterschriften des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers sind nicht erforderlich.
b) Dass die Liste korrekt ist, hat der Arbeitgeber sicherzustellen.
c) Die Arbeitszeit muss bis zum Ablauf des siebten auf den Tag der Arbeitsleistung folgenden Kalendertages dokumentiert sein, also eine Woche später.
d) Das Dokument verbleibt beim Arbeitgeber und muss bei einer Kontrolle durch den Zoll vorgezeigt werden. Es ist also ratsam, die aktuelle Aufzeichnung griffbereit zu haben.
e) Diese Dokumente sind zwei Jahre aufzubewahren.