Die Abnahme im Baurecht
Die Abnahme der Bauleistung ist ein zentrales Element im Baurecht, auf die durch den mit der Prüfung beauftragten Rechtsanwalt, besonderes Augenmerk gerichtet werden muss. An die Abnahme im Baurecht sind wesentliche Rechtsfolgen geknüpft. Um die wichtigsten Wirkungen zu nennen, mit der Abnahme
a) wird die Vergütung fällig (§ 641 BGB),
b) geht die Beweislast für das Vorhandensein von Baumängeln auf den Bauherrn über (BGH, BauR 1997, 129),
c) beginnen die Gewährleistungsansprüche zu laufen (§ 634 a BGB).
Es ist entscheidend, welche Regelungen der Bauvertrag für die Abnahme der Bauleistung vorsieht. Die Vergütung wird erst fällig, wenn eine Abnahme stattgefunden hat. Sicher kann eine Abnahme auch durch die fiktiven Abnahmeformen nach § 12 Nr. 5 VOB/B erfolgen (schriftliche Mitteilung über die Fertigstellung oder Beginn der Benutzung). Wenn jedoch die förmliche Abnahme der Bauleistung vereinbart (§ 12 Nr. 4 VOB/B) ist, dann sind fiktive Abnahmeformen ausgeschlossen. In diesem Fall kann der Werklohn erst dann erfolgreich verlangt werden, wenn tatsächlich ein schriftliches Abnahmeprotokoll vorliegt, welches durch Auftragnehmer und Auftraggeber unterzeichnet ist.
Auf die häufigsten Abnahmeformen wollen wir als Rechtsanwälte nachfolgend kurz eingehen.
1. Die konkludente Abnahme
Eine Abnahme durch konkludentes (schlüssiges, stillschweigendes) Verhalten setzt im Baurecht immer voraus, dass der Bauherr durch sein Verhalten zum Ausdruck bringt, dass er das Bauwerk als im Wesentlichen vertragsgerecht ansieht (BGH, BauR 1996, 386). Eine konkludente Abnahme wurde von der Rechtsprechung u.a. in folgenden Fällen bejaht:
a) Bezug des Hauses bzw. Ingebrauchnahme des Werkes (BGH, BauR 1985, 200),
b) Zahlung des vollständigen Werklohnes (OLG Kn., BauR 1992, 514).
Dagegen kommt aber eine konkludente Abnahme nicht in Betracht, wenn die Bauleistung noch nicht fertiggestellt ist oder ausdrücklich Mängel gerügt werden und dennoch der Einzug erfolgt (BGH, BauR 1999, 1186). Auch wenn der Einzug in das Haus erfolgt, weil die bisherige Wohnung geräumt werden muss, kann hierin keine stillschweigende Abnahme gesehen werden (BGH, NJW 1975, 1701).
2. Abnahme durch Fertigstellungsbescheinigung und durch Fristablauf
a) Die Abnahme durch Erteilung einer Fertigstellungsbescheinigung war in § 641 a BGB geregelt und ist auf heutige Bauverträge nicht mehr anwendbar. Sie gilt nur für Bauverträge, die vom 01.05.2000 bis zum 31.12.2008 abgeschlossen wurden. Hier stellte ein Gutachter dem Unternehmer eine Bescheinigung darüber aus, dass das Werk hergestellt und frei von Mängeln ist. Diese Abnahmeform führte nicht nur für den Rechtsanwalt dann häufig zu Problemen, wenn nur ein mündlicher Bauvertrag geschlossen wurde. Der Gutachter musste in diesem Fall dann feststellen, was nach dem Bauvertrag geschuldet war, was allerdings nicht seine Aufgabe sein konnte. Diese Form der Abnahme hatte sich daher im Baurecht nicht bewährt. Die Regelung wurde deshalb durch das Forderungssicherungsgesetz mit Wirkung ab 01.01.2009 aufgehoben.
b) Bei der Abnahme durch Fristablauf (§ 640 Abs. 1 S. 3 BGB) handelt es sich um eine weitere Abnahmefiktion. Das Bauwerk muss fertiggestellt und im Wesentlichen mängelfrei sein, so dass der Bauherr zur Abnahme verpflichtet wäre. Der Unternehmer oder sein Rechtsanwalt muss den Bauherrn sodann unter Fristsetzung zur Abnahme aufgefordert haben. Ist die Abnahme nicht fristgemäß erfolgt, tritt die Abnahmewirkung fiktiv ein.
3. Abnahmeformen nach der VOB/B
Die o.g. Abnahmeformen gelten auch, wenn zwischen den Parteien die Geltung der VOB/B vereinbart ist. Darüber hinaus gibt es in der VOB/B noch besondere Abnahmeformen, die förmliche Abnahme (§ 12 Nr. 4 VOB/B) und die fiktive Abnahme (§ 12 Nr. 5 VOB/B).
a) Die förmliche Abnahme (§ 12 Nr. 4 VOB/B)
Bei der förmlichen Abnahme erfolgt eine gemeinsame Begehung auf der Baustelle, dessen Ergebnis protokolliert und von beiden Parteien unterzeichnet wird (§ 12 Nr. 4 VOB/B). Ist die förmliche Abnahme durch Einbeziehung der VOB/B oder im Bauvertrag vereinbart, ist eine konkludente Abnahme ausgeschlossen (BGH, BauR 1996, 378). Auf die förmliche Abnahme kann nur einvernehmlich verzichtet werden, wenn der Bauherr z.B. die Erstellung der Schlussrechnung verlangt und der Bauunternehmer hiermit einverstanden ist (BGH, BauR 1979, 56).
b) Die fiktive Abnahme (§ 12 Nr. 5 VOB/B)
Diese Abnahmeform darf nicht mit der konkludenten Abnahme im Baurecht verwechselt werden, wo aus dem Verhalten des Bauherrn hervorgeht, dass er mit der Abnahme einverstanden ist. Die fiktive Abnahme tritt nämlich auch gegen den Willen des Bauherrn ein. Voraussetzung ist, dass keine Partei eine Abnahme verlangt hat und auch keine Abnahmeverweigerung vorliegt.
Das Bauwerk muss im Wesentlichen mängelfrei sein und der Unternehmer muss die Fertigstellung deutlich gemacht haben. Hierzu reicht bereits die Übersendung der Schlussrechnung aus (OLG D.-dorf 16.05.1997 Az. 22 U 232/96). Lässt der Bauherr dann 12 Werktage verstreichen und verlangt keine Abnahme, wird die Abnahme fingiert. Ist die Abnahmefiktion nach § 12 Nr. 5 VOB/B einmal eingetreten, entfällt die Wirkung auch nicht wieder, wenn der Bauherr oder sein Rechtsanwalt nachträglich wesentliche Mängel geltend macht. Der Werklohn des Unternehmers ist also dennoch fällig und der Bauherr kann nur noch Nachbesserungsrechte geltend machen (BGH, BauR 1980, 357). Ebenso kann die Geltendmachung einer Vertragsstrafe verwirkt sein.