Aufhebungsvertrag

Anwalt Aufhebungsvertrag Arbeitsrecht
Aufhebungsvertrag im Arbeitsrecht

Die einverständliche Aufhebung des Arbeitsverhältnisses kann durch Aufhebungsvertrag oder Abwicklungsvertrag erfolgen. Der Abschluss eines Aufhebungsvertrages und der Verzicht auf den Kündigungsschutz kann zu einer Reihe von Nachteilen im Arbeitsrecht führen. Besonders wenn der Aufhebungsvertrag unter Zeitdruck unterschrieben wird und keine Bedenkzeit oder Beratung durch einen Rechtsanwalt oder Fachanwalt für Arbeitsrecht möglich ist, können nicht wieder rückgängig zu machende Rechtsfolgen eintreten. Wir wollen deshalb hier auf wichtige Punkte eingehen, die aus der Sicht eines Anwalts vor Abschluss eines Aufhebungsvertrages und dem Verzicht auf den Kündigungsschutz, zu beachten sind.

A) Aufhebungsvertrag im Arbeitsrecht

Mit einem Aufhebungsvertrag vereinbaren die Parteien das vorzeitige Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis. Als Rechtsanwalt beobachte ich es immer wieder, dass im Arbeitsrecht voreilig ein Aufhebungsvertrag unterzeichnet wird wenn eine Kündigung droht und auf den Kündigungsschutz verzichtet wird.

1. Schriftform von Aufhebungsvertrag und Klageverzichtsvereinbarungen

Für den Aufhebungsvertrag im Arbeitsrecht ist die Schriftform erforderlich (§ 623 BGB). Besteht der Aufhebungsvertrag aus mehreren Blättern ist die Schriftform nur eingehalten, wenn die Blätter fest verbunden werden oder die einzelnen Bestimmungen fortlaufend nummeriert sind. Der Vertrag muss von beiden Parteien auf einer Urkunde unterzeichnet werden. Bei mehreren Verträgen muss jede Partei den für die andere Partei bestimmten Aufhebungsvertrag unterzeichnen. Die Unterschrift muss den Aufhebungsvertrag räumlich abschließen. Nachträge sind erneut zu unterschreiben (BAG 19.04.2007 Az. 2 AZR 208/06).

Unterzeichnet ein Gesellschafter einer GbR den Aufhebungsvertrag, muss dieser deutlich machen, dass er auch in Vertretung der GbR handelt. Für die Einhaltung der Schriftform ist es nicht erforderlich, dass der Gesellschafter auch tatsächlich zur Vertretung der GbR berechtigt ist.
Ein gerichtlich protokollierter Aufhebungsvertrag wahrt die Schriftform (BAG 23.11.2006 Az. 6 AZR 394/06). Auch Klageverzichtsvereinbarungen, die in einem unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang zum Ausspruch einer Kündigung getroffen werden, unterliegen der Schriftform (BAG 25.09.2014 Az. 2 AZR 788/13).

Zwar kann man vor Ausspruch einer Kündigung nicht auf seinen Kündigungsschutz verzichten. Nach erfolgter Kündigung kann aber der Arbeitnehmer auch vor Ablauf der Klagefrist auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage verzichten. Eine Klageverzichtsvereinbarung, die im unmittelbaren Zusammenhang mit einer Kündigung getroffen wird, stellt einen Aufhebungsvertrag dar und bedarf daher der Schriftform (BAG 19.04.2007 Az. 2 AZR 208/06).

Ein Aufhebungsvertrag liegt nur vor, wenn die Annahme gerechtfertigt ist, Kündigung und Klageverzicht seien gemeinsam nur ein anderes Mittel, um das Arbeitsverhältnis in Wirklichkeit im gegenseitigen Einvernehmen zu lösen (BAG 19.04.2007 – 2 AZR 208/06). Fehlt es an einer solchen Annahme, wird das Arbeitsverhältnis nicht durch einen Aufhebungsvertrag aufgelöst, sondern durch die Kündigung. In diesem Fall ist für den Klageverzicht keine Schriftform erforderlich (BAG, Urteil vom 25. 09. 2014 – 2 AZR 788/13).

2. Nachträgliche Befristung des Arbeitsvertrages

Eine als Aufhebungsvertrag bezeichnete Vereinbarung kann als befristetes Arbeitsverhältnis zu beurteilen sein, wenn der Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses die Kündigungsfrist um ein Vielfaches überschreitet und es an weiteren Regelungen zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses (z.B. Urlaub, Freistellungen oder Abfindungen) fehlt (BAG 15.02.2007 Az. 6 AZR 286/06). Ein solcher Aufhebungsvertrag, der auf die befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gerichtet ist, bedarf im Arbeitsrecht zu seiner Wirksamkeit eines sachlichen Grundes.

3. Betriebsübergang

Ein Aufhebungsvertrag, der im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang geschlossen wird kann unwirksam sein, wenn damit objektiv der Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber verhindert werden soll (§ 613 a BGB). Das ist der Fall, wenn der Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag im Hinblick auf die Betriebsveräußerung und dem Hinweis, der Arbeitnehmer könne mit dem Betriebserwerber einen neuen Arbeitsvertrag abschließen, anbietet (BAG 19.03.2009 Az. 8 AZR 722/07). Ein unwirksames Umgehungsgeschäft liegt auch vor, wenn der Aufhebungsvertrag die Beseitigung der Kontinuität des Arbeitsverhältnisses bei gleichzeitigem Erhalt des Arbeitsplatzes bezweckt, weil zugleich ein neues Arbeitsverhältnis vereinbart oder zumindest verbindlich in Aussicht gestellt wird (BAG 25.10.2012 Az. 8 AZR 572/11). Dagegen sind Aufhebungsverträge im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang wirksam, wenn sie auf ein endgültiges Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betrieb gerichtet sind.

4. Belehrungspflichten

Der Arbeitgeber hat dann Aufklärungs- und Belehrungspflichten, wenn er im betrieblichen Interesse den Aufhebungsvertrag vorschlägt und dabei den Eindruck erweckt, er werde auch die Interessen des Arbeitnehmers wahren und ihn nicht ohne Aufklärung der Risiken für den Bestand des Arbeitsverhältnisses aussetzen (BAG 22.04.2004 Az. 2 AZR 281/03). Wenn der Arbeitgeber Auskünfte erteilt, müssen diese richtig und vollständig sein (BAG 23.05.1989 Az. 3 AZR 257/88). Belehrungspflichten bestehen aber im Arbeitsrecht nicht, wenn der Arbeitnehmer von sich aus einen Aufhebungsvertrag abschließen will.

a) Betriebliche Altersversorgung

Je größer die betriebsrentenrechtlichen Gefahren für den Arbeitnehmer beim Abschluss eines Aufhebungsvertrages im Arbeitsrecht sind, desto eher treffen den Arbeitgeber Aufklärungspflichten. Das ist auch der Fall, wenn der Aufhebungsvertrag im Zusammmenhang mit dem Ruhestand des Arbeitnehmers geschlossen wird. Ist erkennbar, dass der Arbeitnehmer die mit dem Aufhebungsvertrag verbundenen Risiken der Zusatzversorgungskasse des öffentlichen Dienstes nicht bewerten kann, muss der Arbeitgeber ihn zumindest so beraten, dass er sich bei der Zusatzversorgungskasse sachgerecht erkunden kann (BAG 17.10.2000 Az. 3 AZR 605/99).

b) Steuern, Sozialversicherung und Sozialplan

Eine Aufklärungspflicht über die steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Folgen des Aufhebungsvertrages besteht nur dann, wenn der Arbeitgeber mit der Unkenntnis des Arbeitnehmers rechnen muss (BAG 10.03.1988 Az. 8 AZR 420/85).
Über noch nicht abgeschlossene Sozialplanverhandlungen muss der Arbeitgeber vor Abschluss des Aufhebungsvertrages nicht unterrichten, wenn noch nicht absehbar ist, dass der Arbeitnehmer dem Sozialplan unterfällt und durch ihn bei Ausscheiden bessergestellt würde (BAG 22.04.2004 Az. 2 AZR 281/03).

5. Formularmäßiger Verzicht auf den Kündigungsschutz ohne Gegenleistung

Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge unterfallen der Inhaltskontrolle, wenn sie für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen enthalten. Allerdings unterliegt weder die Beendigungsvereinbarung, noch eine vereinbarte Abfindung in einem Aufhebungsvertrag, einer Inhaltskontrolle (BAG 24.02.2016 Az. 5 AZR 258/14). Hierdurch werden die geschuldeten Vertragsleistungen festgelegt, die nicht der Inhaltskontrolle unterliegen (§ 307 Abs. 3 BGB). Alle anderen Regeln des Aufhebungsvertrages unterliegen jedoch der Inhaltskontrolle. Das gilt insbesondere für Ausgleichsklauseln. Eine Ausgleich- oder Verzichtsklausel, die einseitig nur die Ansprüche des Arbeitnehmers betrifft und dafür keine Gegenleistung gewährt, ist unwirksam (BAG 21.06.2011 Az. 9 AZR 203/10).

Die Vereinbarung im Aufhebungsvertrag, dass die Kündigung akzeptiert und auf eine Klage verzichtet wird, kann eine Allgemeine Geschäftsbedingung darstellen, wenn sie den Anschein hat, dass sie zur mehrfachen Verwendung gedacht ist (§ 305 Abs. 1 BGB). Der Anschein ist im Arbeitsrechtsstreit vom Arbeitgeber bzw. dem Rechtsanwalt zu widerlegen. Dabei ist davon auszugehen, dass eine Vertragsbedingung nur dann als ausgehandelt gilt, wenn die Klausel ernsthaft zur Disposition gestellt wurde. Das setzt voraus, dass sich der Arbeitgeber ernsthaft zu gewünschten Änderungen der Vereinbarung bereit erklärt hat. Der formularmäßige Verzicht auf eine Kündigungsschutzklage ohne eine Gegenleistung, ist aber eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers mit der Folge, dass der Klageverzicht unwirksam ist (BAG 06.09.2007 Az. 2 AZR 722/06).

Die Verpflichtung des Arbeitgebers im Aufhebungsvertrag, dem Arbeitnehmer ein überdurchschnittliches Zeugnis zu erteilen, stellt noch keine angemessene Gegenleistung dar, die einen Verzicht auf eine Kündigungsschutzklage rechtfertigt (BAG 24.09.2015 Az. 2 AZR 347/14).
Ebenso wäre eine Erklärung in einem Aufhebungsvertrag, mit der der Arbeitnehmer einseitig auf alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, gleich aus welchem Rechtsgrund verzichtet unwirksam, wenn sie ohne Gegenleistung erfolgt (BAG 21.06.2011 Az. 9 AZR 203/10).

6. Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns

Die Einwilligung zum Abschluss eines arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrages kann nicht gem. § 355 BGB widerrufen werden. Ein Aufhebungsvertrag kann aber unwirksam sein, wenn er unter Missachtung des Gebots des fairen Verhandelns zustande gekommen ist. Bei dem Gebot fairen Verhandelns handelt es sich um eine durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen begründete Nebenpflicht (§§ 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2 BGB).

a) Unfaire Verhandlungssituation

Eine Verhandlungssituation ist im Arbeitsrecht als unfair zu bewerten, wenn eine psychische Drucksituation geschaffen oder ausgenutzt wird, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners erheblich erschwert oder sogar unmöglich macht. Dies kann durch die Schaffung besonders unangenehmer Rahmenbedingungen geschehen. Denkbar ist auch die Ausnutzung einer objektiv erkennbaren körperlichen oder psychischen Schwäche oder unzureichender Sprachkenntnisse. Wird dem Arbeitnehmer lediglich keine Bedenkzeit und kein Widerrufsrecht eingeräumt, ist eine Einschränkung der der Entscheidungsfreiheit noch nicht zu bejahen. Die Nutzung des Überraschungsmoments (Überrumplung) und Rahmenbedingungen, die den Fluchtinstinkt wecken, können aber die Entscheidungsfreiheit beeinträchtigen.

Bei einer Kurzerkrankung des Arbeitnehmers ist es dem Arbeitgeber zuzumuten, dessen Genesung abzuwarten und ihn nicht unaufgefordert in dessen Wohnung mit einem Aufhebungsvertrag zu konfrontieren (BAG 07.02.2019 Az. 6 AZR 75/18).

b) Schadenersatzanspruch

Hat der Arbeitgeber gegen das Gebot fairen Verhandels verstoßen, erwirbt der Arbeitnehmer einen Schadenersatzanspruch auf das negative Interesse (§§ 280, 249, 253 BGB). Der Arbeitnehmer ist im Wege der Naturalrestitution so zu stellen, als hätte er den Aufhebungsvertrag nicht abgeschlossen. Das führt zu einem entfallen der Rechtswirkungen des Aufhebungsvertrages und zu einer Fortsetzung des ursprünglichen Arbeitsvertrages zu unveränderten Bedingungen.

c) Beweislast

Die Beweislast für einen Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns und die Kausalität dieses Verstoßes trägt im Arbeitsrecht derjenige, der sich auf eine Verletzung beruft, also der Arbeitnehmer. Hinsichtlich der Kausalität gilt die Vermutung, dass ein Arbeitnehmer ohne die unfaire Behandlung seine Eigeninteressen in vernünftiger Weise gewahrt und den Aufhebungsvertrag nicht abgeschlossen hätte (BAG 07.02.2019 Az. 6 AZR 75/18).

7. Beendigungszeitpunkt

Ein arbeitsrechtlicher Aufhebungsvertrag mit einem in der Zukunft liegenden Beendigungstermin schließt das Recht zur außerordentlichen Kündigung vor dem Beendigungstermin nicht aus. Eine rückwirkende Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag ist nur möglich, wenn das Arbeitsverhältnis bereits außer Vollzug gesetzt ist. Das ist bei einer rückwirkenden Beendigung durch Vergleich in einem Kündigungsrechtsstreit der Fall.

8. Fristlose Kündigung

Wird das Arbeitsverhältnis nach Abschluss des Aufhebungsvertrages aber vor der Beendigung fristlos gekündigt, entfällt die Geschäftsgrundlage des Aufhebungsvertrages. Die Geschäftsgrundlage für einen betriebsbedingten Aufhebungsvertrag fällt aber nicht ohne weiteres weg, wenn nach dessen Abschluss zum gleichen Auflösungszeitpunkt auch noch eine verhaltensbedingte ordentliche Kündigung ausgesprochen wird. Der Aufhebungsvertrag steht jedoch in der Regel unter der aufschiebenden Bedingung, daß das Arbeitsverhältnis bis zum vereinbarten Auflösungszeitpunkt fortgesetzt wird (BAG 29.01.1997 Az. 2 AZR 292/96).

B) Rechtsfolgen des Aufhebungsvertrages

1. Sperrzeit durch Aufhebungsvertrag

Der Abschluss eines Aufhebungsvertrages führt in der Regel zu einer Sperrzeit des Arbeitslosengeldes. Das ist dann nicht der Fall, wenn der Arbeitnehmer wegen einer drohenden betriebsbedingten Kündigung einen Aufhebungsvertrag mit einer Abfindung schließt, die sich im Rahmen des § 1a KSchG hält (BSG 02.05.2012 Az. B 11 AL 6/11 R).

Wird das Arbeitsverhältnis zu einem Zeitpunkt vor Ablauf der Kündigungsfrist beendet, kann das zu einem Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld führen (§§ 157 ff SGB III). Wird das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung einvernehmlich aufgelöst, droht das Ruhen des Arbeitslosengeldanspruches. Wenn die Abfindung einen bestimmten Freibetrag überschreitet, erfolgt zudem eine Anrechnung auf das Arbeitslosengeld. Auf eine Abfindung sind keine Beiträge zur Sozialversicherung zu zahlen, sofern es sich nicht um verdecktes Arbeitsentgelt handelt. Es ist deshalb ratsam in dem Aufhebungsvertrag, ggf. nach Rechtsberatung durch einen Anwalt zu formulieren, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch den Arbeitnehmer verursacht wurde.

2. Steuerliche Folgen

Abfindungen sind einkommenssteuerrechtlich wie außerordentliche Einkünfte zu behandeln (§§ 34, 24 Nr. 1 EStG). Hierzu muss die Abfindung in einem Betrag gezahlt werden. Steuerfrei sind nur Entschädigungen, die als Schmerzensgeld gezahlt werden.

3. Urlaubsabgeltung

Mit der Aufhebung des Arbeitsverhältnisses kann ein etwaig noch verbleibender Urlaubsanspruch nicht mehr gewährt werden. Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird daher ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung fällig. Hierbei sind arbeits- und tarifvertragliche Ausschlussfristen zu beachten.

C) Anfechtung des Aufhebungsvertrages wegen arglistiger Täuschung oder widerrechtlicher Drohung

Eine Möglichkeit, die Wirkungen eines einmal unterschriebenen Aufhebungsvertrages zu beseitigen besteht darin, diesen anzufechten. Die Anfechtbarkeit einer Willenserklärung ist in § 123 BGB vorgesehen.
Dennoch sollte auf keinen Fall ein Aufhebungsvertrag in der Hoffnung unterschrieben werden, dass dieser nachträglich anfechtbar wäre, denn der Arbeitnehmer oder sein Rechtsanwalt muss im Arbeitsgerichtsprozess die Drohung oder Täuschung beweisen, was in der Regel selten gelingen wird.

1. Widerrechtliche Drohung

Das Anfechtungsrecht besteht im Arbeitsrecht dann, wenn der Arbeitnehmer den Aufhebungsvertrag unterschrieben hat, weil er durch widerrechtliche Drohung des Arbeitgebers hierzu veranlasst wurde.

a) Begriff der Drohung

Unter einer Drohung versteht man das in Aussicht stellen eines zukünftigen Übels und das Ausnutzen einer Zwangslage.
Im Arbeitsrecht droht der Arbeitgeber häufig, dass Arbeitsverhältnis durch eine außerordentliche oder ordentliche Kündigung des Arbeitsvertrages beenden zu wollen, wenn der Arbeitnehmer nicht selbst kündigt, oder den Aufhebungsvertrag unterschreibt.
Der Arbeitnehmer muss sich durch die Drohung in eine Zwangslage versetzt sehen, dass er aus seiner Sicht nur zwischen zwei Übeln wählen kann, wobei ihm der Aufhebungsvertrag als das geringere Übel erscheint (BAG 06.12.2001 Az. 2 AZR 396/00).

Ein Klageverzicht in einem Aufhebungsvertrag kann ebenfalls formularmäßig erfolgen, wenn der Vertrag den Anschein hat, zur mehrfachen Verwendung vorgesehen zu sein. Der Klageverzicht, der zur Vermeidung einer ansonsten angedrohten außerordentlichen Kündigung unterzeichnet wird, benachteiligt den Arbeitnehmer dann unangemessen, wenn ein verständiger Arbeitgeber die angedrohte Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte. In diesem Fall ist der Klageverzicht im Aufhebungsvertrag unwirksam (§ 307 BGB, BAG 12.03.2015 Az. 6 AZR 82/14).

aa) Überraschungsmoment

Eine Drohung liegt aber nicht schon dann vor, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer unter Zeitdruck setzt oder ihm keine Überlegungsfrist einräumt, so dass dieser sich in aller Ruhe Gedanken machen kann, ob er einen Aufhebungsvertrag unterschreibt (BAG 16.02.1983 Az. 7 AZR 134/81).
Andererseits kann ein überraschendes Personalgespräch, bei dem der Arbeitnehmer mit einem angeblichen Fehlverhalten konfrontiert wird, schon die vorbereitete fristlose Kündigung und der Aufhebungsvertrag auf dem Tisch liegt und der Arbeitnehmer vor die Wahl gestellt wird, sofort den Aufhebungsvertrag zu unterschreiben oder die fristlose Kündigung zu erhalten, dafür sprechen, dass hier eine Zwangslage ausgenutzt wird.

bb) Drohung durch schlüssiges Verhalten

Die Drohung, dass eine fristlose Kündigung erfolgt wenn der Aufhebungsvertrag nicht unterschrieben wird, muss nicht ausgesprochen werden und kann auch durch schlüssiges Verhalten erfolgen. Das kann im Arbeitsrecht der Fall sein, wenn durch den Arbeitgeber auf ein gestörtes Vertrauensverhältnis hingewiesen und insgesamt der Eindruck erweckt wird, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei nur noch eine Formsache. Der Arbeitnehmer muss sich hierdurch in eine Zwangslage versetzt sehen, in der er nur noch zwischen zwei Übeln wählen kann, von denen der Abschluss des Aufhebungsvertrages das geringere Übel sei (BAG 15.12.2005 Az. 6 AZR 197/05).

cc) Verdacht einer Pflichtverletzung

Eine Drohung mit einer fristlosen Kündigung für den Fall das kein Aufhebungsvertrag unterschrieben wird, darf auch dann nicht erfolgen, wenn nur der Verdacht einer Pflichtverletzung besteht. In diesem Fall hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zunächst Gelegenheit zu geben, den Verdacht auszuräumen. Geschieht dies nicht, ist der gleichwohl unterschriebene Aufhebungsvertrag anfechtbar (BAG 21.03.1996, Az. 2 AZR 543/05).

b) Widerrechtlichkeit der Drohung

Die Drohung muss widerrechtlich sein. Die Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung ist nur dann widerrechtlich, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine solche Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte. Das ist der Fall, wenn der Arbeitgeber davon ausgehen muss, dass seine angedrohte Kündigung vor einem Arbeitsgericht mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht standhalten wird. Wenn ein Arbeitnehmer z. B. nach einem Diebstahl vor die Alternative gestellt wird, eine fristlose Kündigung zu erhalten, wenn er keinen Aufhebungsvertrag unterschreibt, so ist diese Drohung nicht widerrechtlich, denn der Arbeitgeber darf hier davon ausgehen, dass eine fristlose Kündigung gerechtfertigt wäre (BAG 21.04.2016 Az. 8 AZR 474/14).

Die Drohung mit einer Kündigung ist aber im Arbeitsrecht widerrechtlich, wenn der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht erschüttert ist, sondern nur ein Anfangsverdacht besteht, dass die Arbeitsunfähigkeit vorgetäuscht sein könnte.

2. Arglistige Täuschung

Ein Aufhebungsvertrag kann auch wegen arglistiger Täuschung anfechtbar sein. Unter einer Täuschung versteht man ein Verhalten, bei dem der Arbeitgeber unter Vorspiegelung falscher oder Unterdrückung von Tatsachen beim Arbeitnehmer einen Irrtum hervorruft. Dadurch kann der Arbeitnehmer zur Unterzeichnung eines Aufhebungsvertrages veranlasst werden, um eine ansonsten drohende Kündigung zu vermeiden. Eine Täuschung kann in einem aktiven Tun oder in einem Unterlassen vorliegen.

Wenn beispielsweise der Arbeitgeber vorspiegelt, dass der Betrieb geschlossen werden muss, obwohl nur ein Betriebsübergang geplant ist (BAG 23.11.2006 Az. 8 AZR 349/06), so liegt ein aktives Tun des Arbeitgebers vor, da dieser falsche Tatsachen mitteilt.
Wird der Arbeitnehmer dann dazu veranlasst, den Aufhebungsvertrag zu unterschreiben, weil er glaubt, ansonsten die Kündigung zu erhalten, dann wäre der Aufhebungsvertrag durch den dadurch beim Arbeitnehmer erregten Irrtum wegen arglistiger Täuschung anfechtbar.

3. Kausalität, Beweislast und Anfechtungsfrist

a) Kausalität

Zudem muss die Drohung oder Täuschung ursächlich für den Abschluss eines Aufhebungsvertrages sein. Das bedeutet, dass sich der Arbeitnehmer gerade durch die Drohung, oder Täuschung gezwungen sah, den Aufhebungsvertrag zu unterschreiben. Das ist nicht der Fall, wenn der Arbeitnehmer die Willenserklärung aus eigener selbstständiger Überlegung abgegeben hat.

In diesem Zusammenhang ist es wieder bedeutsam, ob dem Arbeitnehmer eine Bedenkzeit eingeräumt wurde. Eine Bedenkzeit kann die Kausalität der Drohung für den späteren Abschluss des Aufhebungsvertrags beseitigen. Das kommt in Betracht, wenn der Arbeitnehmer die Bedenkzeit genutzt hat, um die Bedingungen des Aufhebungsvertrags durch aktives Verhandeln zu seinem Gunsten zu verbessern, insbesondere wenn er zuvor Rechtsrat bei einem Rechtsanwalt eingeholt hat oder auf Grund der Dauer der Bedenkzeit Rechtsrat hätte einholen können (BAG 28.11.2007 Az. 6 AZR 1108/06).

b) Beweislast

Die Beweislast im Anfechtungsprozess trifft den Arbeitnehmer. Er oder sein Rechtsanwalt muss die Umstände darlegen und beweisen, dass er durch die Drohung oder Täuschung dazu veranlasst wurde, den Aufhebungsvertrag zu unterschreiben.
Ferner hat der Arbeitnehmeranwalt darzulegen und zu beweisen, dass ein verständiger Arbeitgeber nicht annehmen durfte, dass das Verhalten des Arbeitnehmers eine Kündigung rechtfertigt. Nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast reicht es zunächst, wenn der Rechtsanwalr des Arbeitnehmers das behauptet. Der Arbeitgeber bzw. sein Anwalt hat dann im Einzelnen darzulegen, weshalb er in vertretbarer Weise einen Kündigungsgrund annehmen durfte. Die in diesem Zusammenhang vorgebrachten Tatsachen muss der Arbeitnehmeranwalt sodann widerlegen (BAG 12.08.1999 Az. 2 AZR 832/98).

c) Anfechtungsfrist

Die Anfechtung des Aufhebungsvertrages muss innerhalb eines Jahres erfolgen. Die Frist beginnt im Falle der arglistigen Täuschung mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt, im Falle der Drohung mit dem Zeitpunkt, in welchem die Zwangslage aufhört (§ 124 BGB).

D) Abwicklungsvertrag

Mit einem Abwicklungsvertrag vereinbaren die Parteien nach einer Kündigung die arbeitsrechtlichen Modalitäten, zu denen der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. In einem Abwicklungsvertrag verzichtet der Arbeitnehmer üblicherweise auf den Kündigungsschutz gegen Zahlung einer Abfindung. Nicht der Abwicklungsvertrag beendet das Arbeitsverhältnis, sondern die vorausgegangene Kündigung.
Ein sog. „unechter“ Abwicklungsvertrag liegt vor, wenn sich die Parteien über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses einig sind, aber zur Vermeidung einer Sperrzeit (§ 159 SGB III) vereinbaren, dass der Arbeitgeber zunächst kündigt und dann der Abwicklungsvertrag geschlossen wird.

1. Klageverzicht

Wird in dem Abwicklungsvertrag auch auf eine Kündigungsschutzklage verzichtet, ist dieser Verzicht unwirksam, wenn er ohne Gegenleistung erfolgt (s. hierzu Buchst. A Ziff. 5).

2. Schriftform

Der Abwicklungsvertrag bedarf im Arbeitsrecht nicht der Schriftform, da er das Arbeitsverhältnis nicht beendet, sondern die vorausgegangene Kündigung. Das gilt wiederum nicht, wenn die Abwicklungsvereinbarung auch einen Klageverzicht enthält (s. hierzu Buchst. A Ziff. 1). Klageverzichtsvereinbarungen, die im unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Ausspruch einer Kündigung getroffen werden, sind Auflösungsverträge gem. § 623 BGB und bedürfen daher der Schriftform (BAG 19.04.2007 Az. 2 AZR 208/06). Die Kündigung bedarf dagegen im Arbeitsrecht immer der Schriftform, da sie das Arbeitsverhältnis beenden soll. Eine Kündigung per Telefax, E-Mail oder SMS genügt nicht der Schriftform (BAG 17.12.2015 Az. 6 AZR 709/14).

3. Anfechtung

Der Abwicklungsvertrag ist wie der Aufhebungsvertrag anfechtbar (s. hierzu Buchst. C). Die dem Abwicklungsvertrag vorangegangene Kündigung bleibt dabei aber wirksam, sofern die Unwirksamkeit nicht rechtzeitig mit einer Kündigungsschutzklage geltend gemacht wurde.