Die Vollmacht des Architekten und des Bauleiters im Baurecht – Zusatzauftrag durch den Bauleiter?
Wir werden als Rechtsanwälte immer wieder im Baurecht gefragt, was ein Architekt oder ein Bauleiter eigentlich alles auf der Baustelle darf. Da der Bauherr selten selbst auf der Baustelle ist, werden oft Zusatzaufträge durch den Bauleiter oder durch den Architekten erteilt. Das wird dann zum Problem, bei dem ein Rechtsanwalt eingeschaltet wird, wenn der Bauherr einwendet, dass der Bauleiter oder Architekt hierzu keine Vollmacht hatte. Hat der Bauherr mit diesem Einwand Erfolg, kann der Bauunternehmer den Werklohn nicht mit Erfolg gegenüber dem Bauherrn geltend machen.
Wenn der Architekt aber keine Vollmacht hatte, den Auftrag zu erteilen, dann haftet er dem Bauunternehmer als vollmachtsloser Vertreter gem. § 179 BGB (OLG Kn. 09.08.1995, Az. 19 U 246/94). Der Bauunternehmer kann dann den Werklohn gegenüber dem Architekten als Schadenersatz geltend machen.
1. Umfang der originären Vollmacht des Architekten
Die Vollmacht des Architekten entspricht im Baurecht seinem Aufgabenbereich auf der Baustelle, ist also auf die tatsächlichen und technischen Feststellungen beschränkt (OLG D.-dorf, BauR 2000, 1878). Sie umfasst insbesondere nicht die Erteilung von Zusatzaufträgen (BGH, BauR 1978, 314) oder die rechtsgeschäftliche Abnahme der Bauleistung (LG Leipzig 25.08.1998 Az. 08 O 1791/98).
Die Vollmacht des Architekten umfasst beispielsweise:
-die Aufnahme des Aufmaßes (OLG Oldg., BauR 1997, 523);
-die technische Abnahme;
-Erteilung von Weisungen auf der Baustelle und Mängel zu rügen;
-Schlussrechnungen entgegenzunehmen und diese auf Stimmigkeit der Bauleistung zu prüfen.
2. Rechtsgeschäftliche Vollmacht des Architekten
Der Bauherr kann die Vollmacht des Architekten über seinen eigentlichen Aufgabenbereich hinaus erweitern. In der Regel wird die Vollmacht des Architekten im Bauvertrag geregelt. Ist das nicht der Fall, sollte man sich die Vollmacht des Architekten zeigen lassen, oder sich beim Bauherrn versichern, dass der Architekt z.B. bevollmächtigt ist, Zusatzaufträge zu erteilen.
Im Zweifel erstreckt sich auch die vertragliche Vollmacht des Architekten Bauaufträge zu erteilen, nur auf Arbeiten, die zwangsläufig und unvermeidbar auf der Baustelle getroffen werden müssen. Sie erstreckt sich aber nicht darauf, eigene Arbeitsfehler beseitigen zu lassen oder eine Vergütung für Arbeiten zuzusprechen, die der Mängelbeseitigung dienen.
3. Duldungsvollmacht des Architekten oder Bauleiters
Wenn der Bauherr weiß, dass der Architekt seine Vollmacht überschreitet und unternimmt er nichts dagegen, dann muss sich der Bauherr so behandeln lassen, als habe er ihm die Vollmacht erteilt. Er kann sich dann nicht darauf berufen, der Architekt habe z.B. nicht die Vollmacht gehabt eine rechtsgeschäftliche Abnahme durchzuführen (OLG D.-dorf, BauR 2000, 1198). Das gilt aber nur für den Fall, dass der Bauunternehmer die fehlende Vollmacht nicht kannte. Im Zweifel muss sich der Bauunternehmer über den Umfang der Vollmacht des Architekten beim Bauherrn erkundigen (BGH, DB 1985, 432).
4. Anscheinsvollmacht des Architekten
Wenn der Bauherr durch sein Verhalten den Rechtsschein erweckt, der Architekt habe eine entsprechende Vollmacht, muss er sich ebenfalls so behandeln lassen, als habe er ausdrücklich die Vollmacht erteilt (OLG KA, BauR 1971, 55). Eine solche Anscheinsvollmacht wurde für einen Fall bejaht, in dem der Bauherr dem Architekten vollständig die Bauvertragsverhandlungen überlassen hatte (BGH, NJW 1983, 816). Auch wenn der Bauherr dem Architekten völlig freie Hand bei der Durchführung des Bauvorhabens lässt, ohne sich selbst um das Bauvorhaben zu kümmern, kann eine solche Anscheinsvollmacht angenommen werden.
Zusammenfassend können wir also als Rechtsanwälte nur empfehlen, die Vertretungsmacht des Bauleiters bzw. Architekten im Bauvertrag genau zu regeln. Wurde keine Regelung getroffen, hilft die Faustregel: „Die Vertretungsmacht des Bauleiters endet dort, wo der Geldbeutel des Auftraggebers anfängt.“
Der Architekt oder Bauleiter besitzt also i.d.R. noch eine Vollmacht, die technische Abnahme durchzuführen. Er ist jedoch nicht ohne weiteres berechtigt, Zusatzaufträge zu erteilen oder die rechtsgeschäftliche Abnahme für den Bauherrn zu erledigen.