Urlaubsabgeltung

Anwalt Urlaubsabgeltung Arbeitsrecht
Urlaubsabgeltung im Arbeitsrecht

Als Rechtsanwälte stellen wir immer wieder fest, dass bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf die Urlaubsabgeltung für noch nicht genommene Urlaubstage verzichtet wird. Zudem verfällt der Urlaubsanspruch nicht immer am Jahresende und die Auszahlung von Urlaubstagen (Urlaubsabgeltung) ist auch noch nach dem abgelaufenen Kalenderjahr möglich. Wann die Urlaubsabgeltung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangt werden kann, wollen wir als Rechtsanwälte für Arbeitsrecht nachfolgend erläutern.

1. Begriff der Urlaubsabgeltung

Bei der Beratung als Fachanwalt für Arbeitsrecht stelle ich immer wieder fest, dass der Irrtum weit verbreitet ist, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch dasselbe ist, wie Urlaubsentgelt oder Urlaubsgeld. Das ist aber nicht der Fall, denn
a) das Urlaubsentgelt ist das für die Dauer des Urlaubs fortgezahlte Arbeitsengelt,
b) das Urlaubsgeld ist eine zusätzlich gezahlte Vergütung, die sich aus einem Arbeits- oder Tarifvertrag ergeben kann und
c) die Urlaubsabgeltung kommt nur in Betracht, wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist und der Urlaub wegen der Beendigung nicht mehr in Natura genommen werden kann. Er entsteht also als Ersatz für die nicht mehr mögliche Befreiung von der Arbeitspflicht (§ 7 Abs. 4 BUrlG).

2. Urlaubsabgeltungsanspruch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Die einem Arbeitnehmer arbeitsrechtlich zustehenden Urlaubstage sind grundsätzlich in dem gleichen Jahr zu nehmen, in dem sie entstanden sind. Ist das Arbeitsverhältnis, etwa durch ordentliche oder außerordentliche Kündigung beendet, ist die Erfüllung des Urlaubsanspruches durch den Arbeitgeber nicht mehr möglich. In diesem Fall entsteht ein Urlaubsabgeltungsanspruch als Ersatz für die nicht mehr mögliche Urlaubsgewährung.

Der Urlaubsabgeltungsanspruch fällt nicht unter die Regelungen des Bundesurlaubsgesetzes, da es sich nicht um einen Anspruch auf Gewährung von Urlaub, sondern um einen reinen Geldanspruch handelt (Aufgabe der Surrogatstheorie). Der Urlaubsabgeltungsanspruch teilt deshalb nicht das Schicksal des Urlaubsanspruchs. Auch wenn die Urlaubsgewährung (z.B. wegen Krankheit) nicht mehr möglich ist, verfällt deshalb nicht auch der Urlaubsabgeltungsanspruch (BAG 19.06.2012, Az. 9 AZR 652/10).

a) Urlaubsabgeltung nach Krankheit

Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung entsteht mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses als reiner Geldanspruch. Das gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer den Urlaub bis zum Ende des Urlaubsjahres und des Übertragungszeitraumes nicht nehmen konnte, weil er arbeitsunfähig erkrankt war (BAG 04.05.2010 Az. 9 AZR 183/09).

b) Regelungsbefugnis bei Mehrurlaub

aa) Bei Urlaubsansprüchen, die den gesetzlichen Mindesturlaub (§§ 1, 3 BUrlG) übersteigen, können die Arbeitsvertragsparteien die Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche im Arbeitsrecht frei regeln. Für einen Regelungswillen, der zwischen Mindesturlaub und Mehrurlaub unterscheidet, müssen aber deutliche Anhaltspunkte bestehen. Fehlen Anhaltspunkte für eine Regelung, ist der Mehrurlaub am Ende des Arbeitsverhältnisses ebenso abzugelten wie der Mindesturlaub, wenn er nicht gewährt werden konnte, weil der Arbeitnehmer über die Übertragungsfrist des § 7 Abs. 3 BUrlG hinaus arbeitsunfähig erkrankt war (BAG 04.05.2010 Az. 9 AZR 183/09).

bb) Das gilt ebenso für Tarifvertragsparteien. Allerdings ist hier schon ein Regelungswillen, den tariflichen Mehrurlaub einem eigenen Fristenregime zu unterstellen anzunehmen, wenn der Urlaub ohne weitere Voraussetzungen bis zum 31.03. des Folgejahres geltend gemacht werden kann (BAG 14.02.2017 Az. 9 AZR 386/16).

c) Erfüllbarkeit des Urlaubsabgeltungsanspruches

Bei Arbeitsunfähigkeit wird der Urlaubsabgeltungsanspruch im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sofort fällig. Es ist nicht erforderlich, dass die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit abgewartet wird (BAG 09.08.2011 Az. 9 AZR 352/10).

d) Urlaubsabgeltung und Ausschlussfristen

Zwar ist der gesetzliche Urlaubsanspruch nach § 13 BUrlG im Arbeitsrecht unabdingbar. Aber mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wandelt sich der Urlaubsanspruch in einen reinen Geldanspruch um (§ 7 Abs. 4 BUrlG). Damit gelten für Urlaubsabgeltungsansprüche, wie für alle anderen Geldansprüche, vertragliche und tarifliche Ausschlussfristen. Als reiner Geldanspruch entsteht der Anspruch auf Urlaubsabgeltung mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und wird nach § 271 BGB sofort fällig. Das gilt auch in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig erkrankt ist (BAG 08.04.2014, Az. 9 AZR 550/12).

Auch in der Erhebung einer Kündigungsschutzklage durch den Anwalt, liegt keine Geltendmachung des Anspruchs auf Urlaubsabgeltung. Die Erhebung der Kündigungsschutzklage kann nur solche Ansprüche wahren, die vom Fortbestand des Arbeitsverhältnisses abhängen. Der Urlaubsabgeltungsanspruch wird aber erst mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig und hängt damit gerade nicht vom Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ab. Schließt also der Anwalt in einem Arbeitsrechtsstreit einen Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis rückwirkend durch die Kündigung beendet ist, dann ist der Urlaubsabgeltungsanspruch im Zeitpunkt der Beendigung entstanden, auch wenn der Vergleich viel später abgeschlossen wurde. Der Anwalt muss also beachten, dass der Anspruch auf Urlaubsabgeltung aufgrund arbeitsvertraglicher oder tariflicher Fristen, bereits verfallen ist (BAG 17.10.2017, Az. 9 AZR 80/17).

Der Arbeitnehmer kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Lohnabrechnungen des Arbeitgebers weiterhin den Urlaubsanspruch ausweisen, denn diese enthalten insoweit kein Schuldanerkenntnis des Arbeitgebers (BAG 12.12.2000, Az. 9 AZR 508/99).

3. Schadenersatz für nicht gewährten verfallenen Urlaub

a) Schadenersatz bei Urlaubsverfall ohne Urlaubsantrag

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Urlaubsanspruch nach dem Bundesurlaubsgesetz von sich aus zu erfüllen. Hierzu hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtzeitig aufzufordern, seinen Urlaub zu nehmen. Er muss dabei über den konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallsfristen belehren. Der Arbeitgeber muss deutlich darauf hinweisen, dass der Urlaubsanspruch am Jahresende oder nach Ablauf des Übertragungszeitraums verfällt, wenn ihn der Arbeitnehmer nicht in Anspruch nimmt. Der Arbeitgeber darf den Arbeitnehmer nicht daran hindern, den Urlaub in Anspruch zu nehmen oder Anreize schaffen, auf den Urlaub zu verzichten. Hat der Arbeitgeber hierauf nicht hingewiesen und verfällt deshalb der Urlaubsanspruch, erwirbt der Arbeitnehmer einen Schadenersatzanspruch (BAG 19.02.2019 Az. 9 AZR 541/15).

Im bestehenden Arbeitsverhältnis verfällt der Urlaubsanspruch allerdings noch nicht und tritt zunächst dem Urlaubsanspruch des Folgejahres hinzu. Der Arbeitgeber hat so noch die Möglichkeit, seine Mitwirkungsobliegenheit für die zurückliegenden Urlaubsjahre nachzuholen (BAG 22.10.2019 Az. 9 AZR 98/19).
Der Arbeitgeber bzw. sein Rechtsanwalt ist im Arbeitsrechtsprozess für die Erfüllung des Urlaubsanspruchs darlegungs- und beweisbelastet (LArbG Bln.-Brandenb. 12.06.2014, Az. 21 Sa 221/14).

aa) Ersatzurlaub im bestehenden Arbeitsverhältnis

Im bestehenden Arbeitsverhältnis ist der verfallene Urlaubsanspruch noch erfüllbar, weshalb der Schadenersatzanspruch auf Gewährung von Ersatzurlaub gerichtet ist (Naturalrestitution). Im bestehenden Arbeitsverhältnis ist deshalb kein Schadenersatz in Geld wegen nicht gewährter Urlaubstage möglich. Dieser entsteht erst mit der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Bei Eintritt in die Freistellungsphase der Altersteilzeit besteht das Arbeitsverhältnis, weshalb kein Urlaubsabgeltung in Betracht kommt (BAG 16.05.2017 Az. 9 AZR 572/16).

bb) Ersatzurlaub und Ausschlussfristen

Der als Schadenersatz an die Stelle des erloschenen Urlaubsanspruchs tretende Ersatzurlaub unterliegt, wie der Urlaubsanspruch, keinen Ausschlussfristen. Nach dem Grundsatz der Naturalrestitution ist der Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre (§ 249 Abs. 1 BGB). Der Ersatzurlaubsanspruch dient der Sicherstellung des Anspruchs auf bezahlte Freistellung und tritt als inhaltsgleicher Schadenersatz an die Stelle des erloschenen Urlaubsanspruchs. Naturalrestitution erhält der Arbeitnehmer, indem er auch im Hinblick auf Ausschlussfristen so gestellt wird, als sei der rechtzeitig gewährte Urlaub am Ende des Urlaubsjahres oder des Übertragungszeitraums nicht erloschen. Das schließt aber die Geltung von Ausschlussfristen für den Ersatzurlaubsanspruch aus, der an die Stelle des erloschenen Urlaubsanspruchs tritt (BAG 19.06.2018 Az. 9 AZR 615/17).

cc) Urlaubsabgeltung im beendeten Arbeitsverhältnis

Ist die Naturalrestitution aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr möglich, hat der Arbeitgeber finanzielle Entschädigung für den verfallenen Urlaub zu leisten (LAG Mü. 06.05.15, Az. 8 Sa 982/14). Bei einem beendeten Arbeitsverhältnis wandelt sich deshalb der Ersatzurlaubsanspruch in einen Urlaubsabgeltungsanspruch um (LAG Kn. 22.04.16, Az. 4 Sa 1095/15).

b) Schadenersatz bei Urlaubsverfall nach Urlaubsablehnung

Hat der Arbeitnehmer seinen Urlaub rechtzeitig beantragt und wurde er nicht gewährt, obwohl es keine dringenden betrieblichen oder persönlichen Gründe gab, die das gerechtfertigt hätten, hat der Arbeitnehmer einen Schadenersatzanspruch, wenn der Urlaub deshalb verfallen ist. Der Arbeitnehmer oder sein Rechtsanwalt muss im Arbeitsrechtsstreit beweisen, dass der Urlaub rechtzeitig beantragt wurde. In diesem Fall befindet sich der Arbeitgeber mit der Urlaubsgewährung in Verzug. Der verfallene Urlaubsanspruch wandelt sich dann in einen Schadenersatzanspruch um, der auf Ersatzurlaub oder Urlaubsabgeltung gerichtet ist (BAG 14.05.2013, Az. 9 AZR 760/11).

c) Urlaubsabgeltung auch für mehrere Bezugszeiträume und Verjährung

Hat der Arbeitnehmer für mehrere Bezugszeiträume keinen Jahresurlaub genommen, weil sich der Arbeitgeber geweigert hat, den Urlaub zu gewähren, dann wird der Urlaub bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses übertragen und angesammelt. Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wandelt sich der angesammelte Urlaub in einen Urlaubsabgeltungsanspruch um (EUGH 29.11.2017 Az. C-214/16). Das bedeutet, dass der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub nur dann am Ende des Kalenderjahres oder des Übertragungszeitraumes erlischt, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer konkret aufgefordert hat, seinen Urlaub rechtzeitig zu nehmen, weil er andernfalls verfallen kann. Der angesammelte und nicht verfallene Urlaub verjährt auch nicht, wenn der Arbeitgeber seinen Hinweispflichten, dass der Urlaubsanspruch erlöschen kann, nicht nachgekommen ist und so den Arbeitnehmer in die Lage versetzt hat, den Urlaubsanspruch wahrzunehmen (EuGH 22.09.2022 Az. C-120/21).