Im Arbeitsrecht ist die Vereinbarung von Ausschlussfristen im Arbeitsvertrag, nach denen Ansprüche nach einer bestimmten Zeit verfallen, sofern sie nicht innerhalb einer bestimmten Zeit geltend gemacht werden, weit verbreitet. Als Rechtsanwalt stelle ich immer wieder fest, dass Arbeitnehmer ihre Ansprüche nach einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht rechtzeitig geltend machen. Als Rechtsanwälte für Arbeitsrecht wollen wir deshalb einige Hinweise geben, was zur Wahrung der Ausschlussfristen zu beachten ist.
Insbesondere können zu kurze vereinbarte Ausschlussfristen in einem Arbeitsvertrag unwirksam sein, so dass die Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis nicht verfallen sind und noch gerichtlich geltend gemacht werden können. Es kann deshalb lohnenswert sein, auch wenn die arbeitsvertraglich vereinbarte Ausschlussfrist im Arbeitsvertrag bereits abgelaufen ist, sich von einem Rechtsanwalt oder Fachanwalt für Arbeitsrecht dazu beraten zu lassen, ob die vereinbarte Ausschlussfrist auch wirksam ist.
1. Ausschlussfristen im Tarifvertrag
In einem Großteil der Tarifverträge sind Ausschlussfristen enthalten, nach denen alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer bestimmten Frist schriftlich oder gerichtlich geltend gemacht werden. Mit Forderungen, die im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung durch Ablauf einer tariflichen Ausschlussfrist erloschen sind kann, anders als bei verjährten Forderungen, nicht aufgerechnet werden (BAG 30.03.1973 Az. 4 AZR 259/72).
Tarifliche Verfallsfristen laufen ohne Rücksicht auf die Kenntnis der Parteien. Das gilt auch, wenn es der Arbeitgeber entgegen § 8 TVG unterlässt, den Tarifvertrag im Betrieb auszulegen (BAG 23.01.2002 Az. 4 AZR 56/01).
a) Anwendungsbereich
Zunächst wird ein Rechtsanwalt prüfen, ob auf das Arbeitsverhältnis ein Tarifvertrag Anwendung findet. Auch wenn die Arbeitsvertragsparteien nicht tarifgebunden sind, kann auf das Arbeitsverhältnis ein Tarifvertrag Anwendung finden, wenn er für allgemeinverbindlich erklärt wurde. In diesem Fall erstreckt sich der Tarifvertrag und die tariflichen Ausschlussfristen auch auf Arbeitnehmer, die nicht gewerkschaftlich organisiert sind, unabhängig davon, ob sie Kenntnis von diesem Tarifvertrag haben.
Tarifliche Ausschlussfristen können auch Anwendung finden, wenn der Arbeitsvertrag auf einen Tarifvertrag Bezug nimmt. Im Arbeitsvertrag kann sowohl auf den Tarifvertrag oder nur auf die tarifliche Ausschlussfrist verwiesen werden. Dabei kann es sich sowohl um einen nachwirkenden als auch einen fachfremden Tarifvertrag handeln (BAG 22.01.2002 Az. 9 AZR 601/00).
In Tarifverträgen können einseitige Ausschlussfristen vorgesehen sein, so dass nur die Ansprüche des Arbeitnehmers verfallen. Ausschlussfristen können auch dem Rechtsnachfolger entgegengehalten werden. Das gilt auch im Falle des gesetzlichen Forderungsübergangs (§ 115 SGB X) gegenüber dem Sozialversicherungsträger (BAG 23.09.2009 Az. 5 AZR 518/08).
b) Verfallbare Ansprüche
Ansprüche aus Tarifverträgen (§ 4 Abs. 4 TVG), Betriebsvereinbarungen (§ 77 Abs. 4 BetrVG) und Arbeitsverträgen können tariflichen Ausschlussfristen unterfallen.
aa) Unabdingbare Ansprüche
Auch unabdingbare gesetzliche Ansprüche können von tariflichen Ausschlussfristen erfasst werden und verfallen, sofern sich aus dem Gesetz nichts anderes ergibt. So ist der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall unabdingbar (§ 12 EFZG). Dennoch kann die Entgeltfortzahlung einer tariflichen Ausschlussfrist unterworfen werden. Die tarifliche Ausschlussfrist ist allerdings unwirksam, wenn damit auch der während der Arbeitsunfähigkeit fortzuzahlende gesetzliche Mindestlohn erfasst wird (§ 3 Abs. 1 MiLoG, BAG 20.06.2018 Az. 5 AZR 377/17). Ebenso kann der Anspruch auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses verfallen (BAG 23.02.1983 Az. 5 AZR 515/80).
Auch der Urlaubsabgeltungsanspruch kann verfallen (BAG 08.04.2014, Az. 9 AZR 550/12). Der als Schadenersatz an die Stelle des erloschenen Urlaubs tretende Ersatzurlaub unterliegt jedoch, wie der Urlaubsanspruch, keinen Ausschlussfristen und verfällt nicht (BAG 19.06.2018 Az. 9 AZR 615/17).
bb) Tarifvertragliche und arbeitsvertragliche Ansprüche
(1) Zu den tariflichen Ansprüchen die verfallen können, gehören auch gesetzliche und vertragliche Ansprüche, die tariflich geregelt sind. So kann ein zusätzliches tariflich geregeltes Urlaubsgeld verfallen (BAG 19.01.1999 Az. 9 AZR 637/97).
(2) Zu den verfallbaren Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis gehören alle Ansprüche, die die Vertragsparteien aufgrund des Arbeitsvertrages haben. Das betrifft auch rückständige Lohnansprüche oder Überstundenvergütungen und Gutschriften auf dem Arbeitszeitkonto. Minusstunden auf dem Arbeitszeitkonto werden dagegen nicht von einer Ausschlussfrist erfasst, wenn die Vergütung hierzu bereits geleistet wurde (BAG 26.01.2011 Az. 5 AZR 819/09).
Sollen nach der Regelung im Tarifvertrag nur „Ansprüche aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis“ verfallen, gilt das nicht für eine Lohnüberzahlung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses (BAG 04.09.1991 Az. 5 AZR 647/90). Sollen nur „vertragliche Ansprüche“ aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, gilt das nicht für eine Abfindung aufgrund eines Sozialplanes (BAG 13.02.2007 Az. 1 AZR 184/06).
Eine tarifliche Ausschlussfrist, die „Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag“ erfasst, gilt nicht für Ansprüche auf Verletzung von Persönlichkeitsrechten oder den Anspruch auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte (BAG 14.12.1994 Az. 5 AZR 137/94).
cc) Unanwendbarkeit von tariflichen Ausschlussfristen
Tarifliche Ausschlussfristen finden keine Anwendung, wenn kein Streit über die Forderung besteht. Das ist der Fall, wenn der Arbeitgeber über die Höhe des Arbeitslohnes eine Lohnabrechnung erteilt und die Summe somit streitlos gestellt hat oder bei einem Anerkenntnis der Forderung. Die vorbehaltlose Mitteilung des Arbeitgebers über den Stand des Arbeitszeitkontos stellt dessen Saldo ebenso streitlos. In diesem Fall findet eine tarifliche Ausschlussfrist auch dann keine Anwendung, wenn sich der Anspruch in einen Freizeit- oder Zahlungsanspruch umwandelt (BAG 28.07.2010 Az. 5 AZR 521/09).
2. Wirksamkeit von Ausschlussfristen im Arbeitsvertrag
Arbeitsverträge sind als Verbraucherverträge nach § 310 Abs. 3 BGB einzustufen. Es ist deshalb durch den Rechtsanwalt im Arbeitsrecht bei Vereinbarungen in Formulararbeitsverträgen zu prüfen, ob die Regelungen den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen. Diese Rechtsprechung hat auch erhebliche Auswirkungen auf Vereinbarungen in Arbeitsverträgen, wonach alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb bestimmter Fristen schriftlich oder gerichtlich geltend gemacht werden (Ausschlussfristen).
Eine Ausschlussfrist im Arbeitsvertrag ist danach nur wirksam, wenn sie transparent und bestimmt formuliert ist. Das ist der Fall, wenn ihr der Arbeitnehmer entnehmen kann, welche Rechtsfolgen eintreten und was er tun kann, um deren Eintritt zu verhindern (BAG 13.03.2013 Az. 5 AZR 954/11).
a) Fristen für zweistufige Ausschlussfristen
Die Regelung, wonach alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb einer bestimmten Frist nach Fälligkeit zunächst schriftlich geltend gemacht werden müssen, bezeichnet man als 1. Stufe und die Regelung, wonach die Ansprüche innerhalb einer weiteren Frist gerichtlich geltend zu machen sind, wird als 2. Stufe der Ausschlussfrist bezeichnet.
aa) Schriftliche Geltendmachung (1. Stufe)
Haben die Parteien vereinbart, dass alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis binnen einer Frist von 2 Monaten ab Fälligkeit verfallen, wenn sie nicht vorher geltend gemacht werden, dann ist diese Ausschlussfrist unangemessen kurz und die Vereinbarung deshalb unwirksam. Für die schriftliche Geltendmachung ist eine Mindestfrist von 3 Monaten geboten (BAG 28.09.05 Az. 5 AZR 52/05).
bb) Gerichtliche Geltendmachung (2. Stufe)
Eine Ausschlussfrist in einem Arbeitsvertrag, wonach alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von 4 Wochen nach Fälligkeit gerichtlich geltend zu machen sind, ist ebenfalls unangemessen kurz und deshalb unwirksam. Da es sich um einen Verbrauchervertrag handelt, gilt das auch dann, wenn die vorformulierte Klausel nur zur einmaligen Verwendung bestimmt ist, sofern der Arbeitnehmer auf die Formulierung keinen Einfluss nehmen konnte. Für die gerichtliche Geltendmachung der Ansprüche ist vielmehr eine Mindestfrist von 3 Monaten angemessen (BAG 25.05.05 Az. 5 AZR 572/04).
cc) Teilbarkeit der Klausel
Vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien wirksam im Arbeitsvertrag, dass alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis binnen 3 Monaten schriftlich geltend zu machen sind, dann beeinträchtigt eine zu kurze Ausschlussfrist für die gerichtliche Geltendmachung, die Wirksamkeit der ersten Stufe nicht, wenn die Vereinbarung teilbar ist und auch ohne die unwirksame Teilregelung der gerichtlichen Geltendmachung, weiterhin verständlich und sinnvoll bleibt (BAG 12.03.2008 Az. 10 AZR 152/07).
Ist aber schon die Frist der ersten Stufe unangemessen kurz, dann ist die Klausel insgesamt unwirksam, denn es gibt wegen der Unwirksamkeit der ersten Stufe keinen Zeitpunkt mehr, an den der Fristenlauf für die zweite Stufe anknüpfen könnte (BAG 16.05.2012 Az. 5 AZR 251/11). Ist eine Ausschlussfrist unangemessen kurz und deshalb unwirksam, gilt das gesetzliche Verjährungsrecht.
b) Schriftform und einseitige Ausschlussfristen
Eine Verfallsklausel in einem vorformulierten Arbeitsvertrag, der nach dem 30.09.2016 geschlossen wurde und die die Schriftform für die Geltendmachung verlangt, ist unwirksam (§ 309 Nr. 13 BGB). Es kann nur noch die Textform vorgesehen werden.
Einseitige Ausschlussfristen in Formulararbeitsverträgen, die nur für den Arbeitnehmer zum Anspruchsverlust führen, widersprechen einer ausgewogenen Vertragsgestaltung und sind deshalb unwirksam (BAG 31.08.2005 Az. 5 AZR 545/04).
c) Beginn der Ausschlussfrist
Eine Ausschlussfrist, die für den Beginn des Verfalls der Ansprüche nicht auch die Fälligkeit berücksichtigt, sondern nur auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses abstellt, benachteiltigt den Arbeitnehmer unangemessen und ist deshalb unwirksam (§ 307 Abs. 1, BAG 01.03.2006 Az. 5 AZR 511/05).
d) Schadenersatzansprüche und Haftung wegen Vorsatz
Sollen nach der Ausschlussklausel in AGB´s oder vorformulierten Vertragsbedingungen (§ 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB) ausnahmslos „alle Ansprüche die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben“ verfallen, wenn sie nicht binnen bestimmter Fristen geltend gemacht werden, werden damit auch Schadensersatzansprüche aus vorsätzlicher Vertragsverletzung und aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung erfasst. Eine solche Verfallklausel ist wegen Verstoßes gegen § 202 Abs. 1 BGB nach § 134 BGB nichtig (BAG 26.11.2020 Az. 8 AZR 58/20).
Ist in einem formularmäßigen Arbeitsvertrag vereinbart, dass „vertragliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“ verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer bestimmten Ausschlussfrist geltend gemacht werden, dann kann das dahingehend auszulegen sein, dass hiervon keine Schadenersatzansprüche erfasst sind. Mit der Beschränkung auf „vertragliche Ansprüche“ wird zum Ausdruck gebracht, dass von der Verfallsklausel keine Ansprüche auf Schadenersatz aus unerlaubten oder strafbaren Handlungen erfasst sein sollen.
Zudem dienen Ausschlussklauseln dem Zweck, Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis zeitnah zu klären. Das gelingt aber nur bei Ansprüchen, deren Entstehungs- und Fälligkeitszeitpunkt unschwer zu ermitteln ist. Bei Schadenersatzansprüchen ist das aber gerade nicht der Fall, weshalb alles dafür spricht, dass Schadenersatzansprüche von einer Ausschlussfrist nicht erfasst werden sollen (BAG 21.04.2016 Az. 8 AZR 753/14).
e) Ausschlussfristen zum Mindestlohn
Gem. § 3 Abs. 1 MiLoG sind Vereinbarungen unwirksam, die die Geltendmachung des Mindestlohnes beschränken oder ausschließen. Demzufolge ist eine vorformulierte arbeitsvertragliche Vereinbarung, nach der alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen dann unwirksam, wenn hiervon auch der gesetzliche Mindestlohn umfasst wird. Eine solche Verfallsklausel verstößt gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 BGB. Da das Mindestlohngesetz seit 16.08.2014 in Kraft getreten ist, aber der erste Mindestlohnanspruch erst am 01.01.2015 entstanden ist, ist die Verfallsklausel jedenfalls dann insgesamt unwirksam, wenn der Arbeitsvertrag nach dem 31.12.2014 abgeschlossen wurde (BAG 18.09.2018 Az. 9 AZR 162/18).
Wurde der Arbeitsvertrag vor Inkrafttreten des MiLoG abgeschlossen, dann ist eine Verfallsklausel die auch Mindestlohnansprüche umfasst, lediglich gem. § 3 S. 1 MiLoG teilunwirksam. Es bleibt dann bei der nach dem MiLoG vorgesehenen Teilunwirksamkeit einer „überschießenden“ Verfallklausel, weil eine bei Vertragsschluss transparente Klausel nicht durch eine spätere Änderung der Rechtslage intransparent wird (BAG 17.04.2019 Az. 5 AZR 331/18).
Der Anspruch auf Entgeltforzahlung im Krankheitsfall kann nicht in Höhe des Mindestlohnes einer Ausschlussfrist unterworfen werden. Der Arbeitnehmer muss auch im Krankheitsfall den Mindestlohn als untere Grenze des fortzuzahlenden Entgelts erhalten (BAG 20.06.2018 Az. 5 AZR 377/17).
f) Ausschlussfristen im kirchlichen Arbeitsrecht
Nimmt im kirchlichen Arbeitsrecht ein Arbeitsvertrag auf die AVR Bezug, werden zwar die in den AVR enthaltenen Ausschlussfristen Bestandteil des Arbeitsverhältnisses. Die Ausschlussfrist ist aber eine wesentliche Arbeitsbedingung i.S.d. § 2 Abs. 1 NachwG und ist deshalb schriftlich nachzuweisen. Hat der kirchliche Arbeitgeber die Ausschlussfrist nicht im Arbeitsvertrag im Volltext nachgewiesen, kann der Arbeitnehmer bei einer Versäumung der Ausschlussfrist im Wege des Schadenersatzes verlangen so gestellt zu werden, als hätte er die Ausschlussfrist nicht versäumt (BAG 30.10.2019 Az. 6 AZR 465/18).
3. Beginn und Hemmung der Ausschlussfrist
Der Beginn der Ausschlussfrist bestimmt sich nach der Regelung im Arbeitsvertrag oder im Tarifvertrag.
a) Fristbeginn
Eine Ausschlussfrist beginnt i.d.R. mit der Fälligkeit des Anspruchs. Es kann aber auch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses für den Beginn der Ausschlussfrist geregelt sein.
aa) Fristbeginn bei Fälligkeit
Die Fälligkeit ist nach einem allgemeinen und objektiven Maßstab zu bestimmen. Die Unkenntnis der Rechtslage hat deshalb grundsätzlich ebenso wenig wie eine rechtliche Fehleinschätzung, Einfluss auf den Zeitpunkt der Fälligkeit und damit den Beginn der Ausschlussfrist. Ein Anspruch wird aber regelmäßig erst dann fällig, wenn der Gläubiger ihn annähernd beziffern kann (BAG 14.03.2012 Az. 10 AZR 172/11). Ist der Arbeitgeber zu einer Abrechnung verpflichtet, beginnt die Frist erst mit Erteilung der Abrechnung, wenn der Arbeitnehmer sonst die Höhe des Anspruchs nicht beziffern kann (BAG 27.02.2002 Az. 9 AZR 543/00). Wenn der Anspruch auf Erteilung der Abrechnung verfallen ist, beginnt die Frist für den Zahlungsanspruch.
Bei einer Lohnüberzahlung aufgrund einer falschen Berechnung des Arbeitgebers, entsteht der Rückzahlungsanspruch zum Zeitpunkt der Überzahlung und wird sofort fällig, wenn ihm die Berechnungsgrundlagen bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen. Auf die Kenntnis des Arbeitgebers kommt es nicht an. Allerdings kann der Arbeitnehmer zu einer Mitteilung verpflichtet sein, wenn er bemerkt hat, daß er eine ungewöhnlich hohe Zahlung erhalten hat, deren Grund er sich nicht erklären kann (BAG 01.06.1995 Az. 6 AZR 912/94). Auch wenn der Berechnungsfehler auf Seiten des Arbeitnehmers zu suchen ist und ihn der Arbeitgeber deshalb nicht erkennen konnte, beginnt die Frist erst, wenn der Arbeitgeber von der Überzahlung Kenntnis erlangt (BAG 16.10.2007 Az. 9 AZR 144/07).
Erfolgte die Lohnüberzahlung, weil der Arbeitgeber wegen einer Fortsetzungserkrankung keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall mehr leisten musste, dann werden die Rückzahlungsansprüche erst fällig, wenn der Arbeitgeber Kenntnis von der Fortsetzungserkrankung hatte oder sich die Kenntnis hätte verschaffen können. Liegen dann objektive Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Fortsetzungserkrankung zur Überschreitung des 6-Wochen Lohnfortzahlungszeitraumes führen könnte, besteht für den Arbeitgeber eine Erkundigungspflicht bei der Krankenkasse. Der Arbeitnehmer ist aber zur Mitwirkung verpflichtet und muss den Arzt oder die Krankenkasse von der Schweigepflicht befreien (BAG 19.03.1986, Az. 5 AZR 86/85).
Bei Schadenersatzansprüchen beginnt die Verfallsfrist, wenn der Schaden entstanden und fällig ist. Das ist der Fall, wenn sich der Geschädigte über den Schaden einen Überblick verschaffen kann und die Forderung annähernd beziffern kann (BAG 21.05.2015 Az. 8 AZR 116/14).
bb) Fristbeginn bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Beginnt die Ausschlussfrist mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, dann ist nicht die tatsächliche, sondern die rechtliche Beendigung für den Fristbeginn maßgebend (BAG 18.11.2004 Az. 6 AZR 651/03). Führen also die Parteien über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen Rechtsstreit, beginnt die Ausschlussfrist erst mit der Rechtskraft des Urteils. Das gilt allerdings nicht, wenn die Regelung für den Beginn der Ausschlussfrist auf die Fälligkeit des Anspruchs abstellt.
Im Fall eines Betriebsübergangs scheidet der alte Arbeitgeber aus dem Arbeitsverhältnis aus. In diesem Fall beginnt die Ausschlussfrist, die an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses anknüpft, mit dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs.
b) Hemmung
Verlangt eine arbeitsvertragliche Ausschlussfrist, dass ein Anspruch innerhalb einer bestimmten Frist gerichtlich geltend zu machen ist, dann wird die Frist gehemmt, solange die Parteien vorgerichtliche Vergleichsverhandlungen führen (§ 203 BGB). Der Zeitraum der Dauer der Vergleichsverhandlungen wird in die Ausschlussfrist nicht eingerechnet (§ 209 BGB, BAG 20.06.2018 Az. 5 AZR 262/17).
Ob die Regelungen über die Hemmung einer Frist (§ 203 ff BGB) analog auch auf tarifvertragliche Ausschlussfristen anzuwenden sind, ist noch nicht abschließend geklärt (BAG 08.03.1976 Az. 5 AZR 361/75).
4. Wahrung der Ausschlussfrist
Die Forderung, die aufgrund einer Ausschlussfrist geltend gemacht wird, ist nach Grund, Höhe und Zeitraum, für den die Forderung erhoben wird, hinreichend zu beschreiben. Der Anspruchsgegner muss erkennen können, welche Forderung gegen ihn erhoben wird. Es wird kein Anspruch geltend gemacht, wenn der Gläubiger mitteilt, er behalte sich Ansprüche vor, der Einbehalt solle begründet oder eine Zahlung überdacht werden (BAG 20.02.2001 Az. 9 AZR 46/00).
a) Form der Geltendmachung
Ist in einem Tarifvertrag die Schriftform für die Geltendmachung der Forderung vorgesehen, so ist der Zugang eines unterzeichneten Originals erforderlich. Es ist ausreichend, wenn das Schreiben einer Person ausgehändigt wird, die den Arbeitgeber vertreten darf (BAG 09.04.2008 Az. 4 AZR 104/07). Die Übersendung per Fax ist für die Wahrung der Schriftform ausreichend (BAG 11.10.2000 Az. 5 AZR 313/99).
Die Textform (§ 126b BGB) wird durch eine E-Mail gewahrt, die Namen und Adresse des Ausstellers enthält und wenn der Abschluss der Erklärung etwa durch eine Grußformel und die Wiederholung des Namens kenntlich gemacht wird. Zur Wahrung des Schriftlichkeitsgebots nach § 70 S. 1 BAT genügt die Textform (BAG 07.07.2010 Az. 4 AZR 549/08).
b) Wahrung der Ausschlussfrist durch Erhebung der Kündigungsschutzklage
Ist für die Wahrung der Ausschlussfrist keine Form vorgeschrieben, reicht die Erhebung der Kündigungsschutzklage auch zur außergerichtlichen Geltendmachung von Zahlungsansprüchen aus, die vom Ausgang des Kündigungsschutzverfahrens abhängen (BAG 11.02.2009 Az. 5 AZR 168/08). Das gilt auch zugunsten der Ansprüche, die aufgrund des gesetzlichen Forderungsübergangs auf die Bundesanstalt für Arbeit übergegangen sind (BAG 23.09.2009 Az. 5 AZR 518/08). Durch Erhebung der Kündigungsschutzklage werden aber nicht die Fristen für Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche gewahrt. Die fristwahrende Wirkung der Klage tritt nicht ein, wenn sie unzulässig ist und entfällt, wenn sie zurückgenommen wird (BAG 16.01.2003 Az. 2 AZR 735/00).
c) Zweistufige Ausschlussfristen
Der Antrag auf Klageabweisung in einem Kündigungsrechtsstreit, stellt eine Ablehnung der mit der Klage geltend geltend gemachten Annahmeverzugsansprüche dar. Die Ablehnung genügt auch einem etwaigen Schriftformerfordernis (BAG 17.11.2009 Az. 9 AZR 745/08).
aa) Schriftliche Geltendmachung durch Klagezustellung (1. Stufe)
Mit der Erhebung der Kündigungsschutzklage macht der Arbeitnehmer bzw. der Rechtsanwalt gleichzeitig alle durch die Kündigung bedrohten und regelmäßig fällig werdenden Einzelansprüche aus dem Arbeitsverhältnis schriftlich geltend. Der Anwalt wahrt damit die erste Stufe einer zweistufigen Ausschlussfrist. Es reicht aber nicht aus, dass die Klage vor Ablauf der Ausschlussfrist beim Arbeitsgericht eingegangen ist. Die Klage muss auch vor Ablauf der Frist für die schriftliche Geltendmachung, dem Anspruchsgegner zugegangen sein (BAG 16.03.2016 Az. 4 AZR 421/15).
Auch mit einer Klage auf vertragsgemäße Beschäftigung macht der Arbeitnehmer zugleich die für die Beschäftigung vereinbarten Entgeltansprüche im Sinne der ersten Stufe einer Ausschlussfrist geltend (BAG 18.09.2019 Az. 5 AZR 240/18).
bb) Gerichtliche Geltendmachung durch Klageerhebung (2. Stufe)
Ist im Arbeitsvertrag die Mindestfrist von 3 Monaten für die gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen vereinbart, dann wahrt der Arbeitnehmer bzw. sein Anwalt durch rechtzeitige Erhebung der Kündigungsschutzklage den Verfall der vom Ausgang des Arbeitsrechtsstreites abhängigen Annahmeverzugsansprüche. Die Lohnansprüche sind vom Ausgang des Arbeitsrechtsstreites abhängig. Deshalb genügt es, wenn der Rechtsanwalt Kündigungsschutzklage erhebt, um den Verfall der Lohnansprüche zu verhindern. Durch die Kündigungsschutzklage wird auch die zweite Stufe der Ausschlussfrist gewahrt (BAG 19.03.08, Az. 5 AZR 429/07).
5. Darlegungs- und Beweislast
Will der Schuldner für sich in Anspruch nehmen, dass der Anspruch aufgrund einer Ausschlussfrist verfallen ist, hat er das darzulegen. Dagegen hat der Gläubiger darzulegen, dass er den Anspruch fristgerecht geltend gemacht hat.
Sobald das Gericht aus dem Parteivortrag erkennt, dass ein Tarifvertrag Anwendung findet, ist der Tarifvertrag und die Ausschlussfristen von Amts wegen zu ermitteln. Die Nichteinhaltung von tariflichen Ausschlussfristen ist von Amts wegen durch das Gericht zu beachten (BAG 27.06.2012 Az. 5 AZR 51/11). Es ist nicht erforderlich, dass sich der Anspruchsgegner auf die nicht fristgerechte Geltendmachung beruft und die nicht fristgerechte Geltendmachung kann auch nicht unstreitig gestellt werden (BAG 23.09.2009 Az. 4 AZR 308/08).