Gebrauch von Sondereigentum und Gemeinschaftseigentum

Anwalt Gebrauch von Sondereigentum und Gemeinschaftseigentum im Wohnungseigentumsrecht
Gebrauch von Sondereigentum und Gemeinschaftseigentum im Wohnungseigentumsrecht

Die Art und Weise des Gebrauchs von Sondereigentum und Gemeinschaftseigentum ist häufig Gegenstand von Konflikten im Wohnungseigentumsrecht, bei denen ein Rechtsanwalt für Wohnungseigentumsrecht in Anspruch genommen wird. Die Regeln und Grenzen beim Gebrauch von Sondereigentum und Gemeinschaftseigentum möchte ich deshalb als Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht nachfolgend erläutern.

1. Recht zum Gebrauch von Sonder- und Gemeinschaftseigentum

Der Gebrauch von Sondereigentum und Gemeinschaftseigentum ist die tatsächliche Benutzung des Sondereigentums und die Mitbenutzung des gemeinschaftlichen Eigentums und eingeräumter Sondernutzungsrechte (§§ 13, 16 Abs. 1 S. 3 WEG). Hiervon zu unterscheiden sind die Maßnahmen der Verwaltung des Gemeinschaftseigentums, welche allen Wohnungseigentümern gemeinsam obliegt (§ 18 Abs. 1 WEG).
Der Gebrauch des Sondereigentums und des Gemeinschaftseigentums kann durch Vereinbarung geregelt werden (§ 10 Abs. 1 WEG). Soweit der Gebrauch ordnungsgemäß ist, kann er auch gem. § 19 WEG durch Beschlüsse geregelt werden.
Ordnungsmäßig ist ein Gebrauch, der dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme und billigem Ermessen entspricht. Die Grenzen der Beschlussfassung sind eng gezogen. Durch Vereinbarung können die Wohnungseigentümer aber den Gebrauch von Sondereigentum und Gemeinschaftseigentum umfassend regeln.

a) Gebrauch des Sondereigentums

Bezüglich des Sondereigentums kann der Wohnungseigentümer wie ein Alleineigentümer verfahren und dies nach Belieben nutzen. Insbesondere kann er sein Sondereigentum entweder selbst nutzen oder aber vermieten, verpachten oder in sonstiger Art und Weise nutzen. An seiner Rechtsausübung wird der Wohnungseigentümer nur durch die Notwendigkeiten eines räumlichen Zusammenlebens aller Wohnungseigentümer beschränkt.
Unterlassungsansprüche der Wohnungseigentümer untereinander wegen einer zweckwidrigen Nutzung des Sondereigentums verjähren im Wohnungseigentumsrecht nicht, wenn die zweckwidrige Nutzung andauert. Wird aber die Störung, z.B. durch mehrere Neuvermietungen immer wieder neu geschaffen, kommt eine Verwirkung des Unterlassungsanspruchs in Betracht (BGH 08.05.2015 Az. V ZR 178/14).

b) Gebrauch des Gemeinschaftseigentums

Da das Gemeinschaftseigentum im Eigentum aller Wohnungseigentümer steht, darf es grundsätzlich auch von allen Wohnungseigentümern genutzt werden. Daher hat jeder Wohnungseigentümer einen Anteil an den Nutzungen des Gemeinschaftseigentums nur in dem Umfang, der seinem Miteigentumsanteil entspricht. Die Wohnungseigentümer können den Gebrauch im Wohnungseigentumsrecht durch Beschluss regeln, wenn es sich um ordnungsgemäßen Gebrauch handelt (§ 19 WEG).

2. Beschränkungen beim Gebrauch von Sondereigentum und Gemeinschaftseigentum

Die Beschränkungen beim Gebrauch von Sondereigentum und Gemeinschaftseigentum ergeben sich im Wohnungseigentumsrecht aus den getroffenen Vereinbarungen (§§ 19 Abs. 1, 10 Abs. 1 WEG), aus Beschlüssen (§ 19 Abs. 1 WEG) und aus gesetzlichen Regelungen (§ 14 WEG).

a) Gesetzliche Grenzen § 14 WEG

Die gesetzliche Regelung des § 14 WEG findet im Wohnungseigentumsrecht nur Anwendung, sofern keine Vereinbarungen oder Beschlüsse existieren.

aa) Instandhaltung des Sondereigentums § 14 Abs. 1 WEG

Jeder Wohnungseigentümer ist verpflichtet, sein Sondereigentum so instand zu halten, dass anderen Wohnungseigentümern kein Nachteil entsteht. Ein Nachteil ist jede nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung. Dabei kommt es darauf an, ob sich ein außenstehender Dritter in der Lage des betreffenden Wohnungseigentümers verständlicherweise beeinträchtigt fühlen kann (BGH 19.12.1992 Az. V ZB 27/90). Die Beeinträchtigung muss über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehen.

Der Wohnungseigentümer ist immer dann zu Instandhaltungsmaßnahmen am Sondereigentum verpflichtet, wenn ansonsten die Gefahr einer Beschädigung des Gemeinschaftseigentums oder des Sondereigentums anderer Wohnungseigentümer droht. Dabei ist nur der ursprüngliche Zustand herzustellen. Zu Verbesserungen ist der Wohnungseigentümer nach dem Wohnungseigentumsrecht nicht verpflichtet.
Wird also z.B. der in einer Eigentumswohnung vorhandene Teppichboden durch Parkett ersetzt, wird nur in das Sondereigentum eingegriffen und nicht auch in erheblichem Umfang in die Gebäudesubstanz. Demnach richtet sich der zu gewährende Schallschutz nach der zur Zeit der Errichtung des Gebäudes geltenden DIN 4109. Ein höherer einzuhaltender Schallschutz kann sich aus der Gemeinschaftsordnung ergeben (BGH 27.02.2015 Az. V ZR 73/14).

Welche Schallschutzbestimmungen einzuhalten sind, richtet sich nach dem Gewicht des Eingriffs in die Gebäudesubstanz. Nur bei grundlegenden Umbauten, wie einem Dachgeschossausbau, muss der aktuelle Schallschutz beachtet werden. Handelt es sich dagegen lediglich um die übliche Instandsetzung, also Sanierungsmaßnahmen, kann kein verbessertes Schallschutzniveau beansprucht werden (BGH 16.03.2018 Az. V ZR 276/16).

bb) Gebot der Rücksichtnahme § 14 Abs. 1 WEG

Die Nachteile durch den Gebrauch von Sondereigentum und Gemeinschaftseigentum müssen sich im Rahmen des geordneten Zusammenlebens bewegen. So ist bei einer Videoüberwachung das allgemeine Persönlichkeitsrecht, gegen das Interesse des Eigentümers auf Schutz seines Eigentums abzuwägen. Die Interessenabwägung kann dazu führen, dass wegen der Überwachung ein unzumutbarer Nachteil für den Wohnungseigentümer entsteht (BGH 21.10.2011 Az V ZR 265/10).

Jeder Wohnungseigentümer hat dafür zu sorgen, dass die Ausübung des rücksichtsvollen Gebrauchs von Sondereigentum und Gemeinschaftseigentum auch von Personen beachtet wird, die zu seinem Hausstand gehören oder denen er die Benutzung von Sonder- und Gemeinschaftseigentum überlässt. So hat der vermietende Wohnungseigentümer alle gesetzlichen Mittel, bis hin zu Kündigung auszuschöpfen, wenn sein Mieter unzulässigen Gebrauch von Sondereigentum und Gemeinschaftseigentum macht.

cc) Duldungspflichten § 14 Abs. 1 Nr. 2 WEG

Jeder Wohnungseigentümer hat Einwirkungen auf sein Sondereigentum und auf das Gemeinschaftseigentum zu dulden, wenn sie auf einem zulässigen Gebrauch im Wohnungseigentumsrecht beruhen. Er hat das Betreten und die Benutzung des Sondereigentums zu erlauben, wenn das zur Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums erforderlich ist. Wird bei einer solchen Maßnahme das Sondereigentum beschädigt, ist dem Wohnungseigentümer der entstandene Schaden zu ersetzen.

b) Beschränkungen durch Vereinbarung (§§ 10 Abs. 2, 19 Abs. 1 WEG)

aa) Zweckbestimmung des Sondereigentums

Die Wohnungseigentümer können in der Gemeinschaftsordnung festlegen, dass Räume des Sondereigentums nur zu einem bestimmten Zweck, z.B. als Gaststätte genutzt werden dürfen. Die Zweckbestimmung gibt den Umfang des zulässigen Gebrauchs vor. Eine hiervon abweichende Nutzung ist unzulässig es sei denn, die zweckbestimmungswidrige Nutzung stört nicht mehr, als eine der Zweckbestimmung entsprechende Nutzung (BayObLG 07.06.2001 Az. 2Z BR 60/01).

bb) Zweckbestimmung als Teileigentum

Es kann aber auch durch die Teilungserklärung bestimmt werden, ob Räume zum Wohnungseigentum oder zum Teileigentum gehören sollen (§ 1 Abs. 2-3 WEG). Durch diese Zweckbestimmung wird vorgegeben, dass die Räume des Wohnungseigentums im Sondereigentum dem Wohnzweck dienen sollen, während die Räume des Teileigentums im Sondereigentum nicht zu Wohnzwecken dienen sollen. Auch hier soll im Wohnungseigentumsrecht eine abweichende Zuordnung der Räume vom Wohnungseigentum zum Teileigentum und umgekehrt möglich sein, wenn die abweichende Nutzung nicht mehr stört, als eine der Zweckbestimmung entsprechende Nutzung (OLG Kn. 15.02.2002 Az. 16 Wx 232/01).
Von der Zweckbestimmung als Wohnungseigentum ist die Vermietung als Ferienwohnung gedeckt, da es sich um eine Nutzung zu Wohnzwecken handelt (BGH 15.01.2010 Az. V ZR 72/09).

cc) Gebots- und Verbotsregelungen

Die Wohnungseigentümer können im Wohnungseigentumsrecht durch Vereinbarung festlegen, dass Räume des Sondereigentums oder Gemeinschaftseigentums nur in einem bestimmten Umfang genutzt werden dürfen (Gebotsnormen) oder ein bestimmtes Verhalten untersagt sein soll (Verbotsnormen). So ist es zulässig, ein Vermietungsverbot zu vereinbaren (BGH 29.11.1995 Az. VII ZR 230/94).
Ebenso kann das Gebrauchsrecht eines Wohnungseigentümers erweitert oder ein unzulässiges Verhalten gestattet werden.

dd) Grenzen der Vereinbarung

Der Abschluss der Vereinbarungen ist zulässig, sofern sie nicht gegen ein gesetzliches Verbot, gegen Treu und Glauben oder die guten Sitten verstoßen (BGH 24.02.1994 Az. V ZB 43/93). Sondernachfolger von Wohnungseigentümern sind an die Vereinbarungen nur gebunden, wenn diese als Inhalt des Sondereigentums in das Grundbuch eingetragen sind (§ 10 Abs. 3 WEG). Vereinbarungen zur Gebrauchsregelung können auch nur durch Vereinbarung geändert, aber nicht mit Stimmenmehrheit beschlossen werden. Ein solcher Beschluss wäre nichtig.

c) Beschränkungen durch Beschluss

Gesetzlich im Wohnungseigentumsrecht vorgegebene Regelungen beim Gebrauch von Sondereigentum und Gemeinschaftseigentum dürfen durch Mehrheitsbeschluss lediglich konkretisiert werden (§§ 19 Abs. 1, 14 Abs. 1 WEG). Allerdings ist es möglich, Mehrheitsbeschlüsse über den Gebrauch des Sonder- und Gemeinschaftseigentums auch aufgrund einer vorherigen Vereinbarung zu fassen (§ 23 Abs. 1 WEG). Vereinbaren die Wohnungseigentümer, dass die Gemeinschaftsordnung durch Mehrheitsbeschluss geändert werden darf oder das konkrete Gebrauchsregelungen mit Stimmenmehrheit beschlossen werden können, sind die Wohnungseigentümer nicht an die Beschränkung in § 14 Abs. 1 WEG gebunden (Öffnungsklausel).

aa) Beschlüsse nach § 19 Abs. 1 WEG

Die Wohnungseigentümer können mit Stimmenmehrheit über den ordnungsgemäßen Gebrauch von Sondereigentum und Gemeinschaftseigentum beschließen, wenn hierüber keine Vereinbarung getroffen wurde. Eine Gebrauchsregelung ist ordnungsgemäß, wenn dadurch keinem anderen Wohnungseigentümer über das bei einem Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus, ein Nachteil erwächst. Durch den Beschluss nach § 19 Abs. 1 WEG darf demnach nur der nach § 14 Abs. 1 WEG zulässige Gebrauch konkretisiert werden.
Ein Beschluss über den Gebrauch des Sonder- und Gemeinschaftseigentums, für den es weder nach § 19 Abs. 1 WEG, noch aufgrund einer Vereinbarung eine Beschlusskompetenz gibt, ist nichtig (§ 23 Abs. 4 WEG, BGH 20.09.2000 Az. V ZB 58/99).

Den Wohnungseigentümern können auch keine Leistungspflichten durch Beschluss auferlegt werden, da nach § 19 Abs 1 WEG nur der zulässige Gebrauch geregelt werden kann. Es fehlt hier also an einer Beschlusskompetenz (BGH 18.06.2010 Az. V ZR 193/09).
Beschlüsse die nicht nichtig sind, aber die Grenzen des ordnungsgemäßen Gebrauchs überschreiten müssen, ggf. durch einen Rechtsanwalt für Wohnungseigentumsrecht, gerichtlich angefochten und für ungültig erklärt werden. Erwächst der rechtswidrige Beschluss mangels Anfechtung in Rechtskraft, ist er zu befolgen.

bb) Beschlüsse aufgrund Öffnungsklausel

Gem. § 10 Abs. 1 S. 2 WEG können die Wohnungseigentümer vereinbaren, dass auch nicht ordnungsgemäße Gebrauchsregelungen mit Stimmenmehrheit beschlossen werden können (Öffnungsklausel). Die Vereinbarung ist in der Form möglich, dass die Abänderung der Gemeinschaftsordnung durch Beschluss gestattet ist oder das Beschlüsse, die sich auf Gebrauchsregelungen beschränken, möglich sind. Die Wohnungseigentümer sind dann nicht an § 19 Abs. 1 WEG gebunden und können auch Maßnahmen beschließen, die nicht einem ordnungsgemäßen Gebrauch entsprechen.