Widerspruch des Betriebsrates

Anwalt Widerspruch des Betriebsrates gegen eine Kündigung im Arbeitsrecht
Der Widerspruch des Betriebsrates gegen eine Kündigung nach der Betriebsratsanhörung

Der Betriebsrat kann nach der Betriebsratsanhörung der Kündigung des Arbeitnehmers widersprechen. Der Widerspruch des Betriebsrates kann alle Einwendungen gegen die Kündigung enthalten, die er für notwendig hält. Ein rechtlich erheblicher Widerspruch des Betriebsrates gegen die Kündigung, der auch einen Weiterbeschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers auslösen kann, ist jedoch im Arbeitsrecht nur aus den Gründen des § 102 Abs. 3 BetrVG möglich. Die Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem Widerspruch des Betriebsrates und dem betriebsverfassungsrechtlichen Weiterbeschäftigungsanspruch möchte ich als Fachanwalt für Arbeitsrecht nachfolgend erläutern.

1. Widerspruch des Betriebsrates

Der Betriebsrat soll, sofern es erforderlich ist, vor einer Stellungnahme den Arbeitnehmer anhören (§ 102 Abs. 2 BetrVG). Der Widerspruch des Betriebsrates muss schriftlich erfolgen, wobei die Textform ausreichend ist und ist zu begründen. In der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Argumente für den Widerspruch des Betriebsrates mitzuteilen, um dem Arbeitgeber die Überprüfung zu ermöglichen (BAG 17.06.1999 Az. 2 AZR 608/98). Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer zusammen mit der Kündigung, eine Abschrift des Widerspruchs zu übergeben (§ 102 Abs. 4 BetrVG).
Nur ein Widerspruch des Betriebsrates, der aus den nachfolgenden Gründen erfolgt, kann einen Weiterbeschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers im Arbeitsrecht auslösen (§ 102 Abs. 3 BetrVG).

a) Sozialauswahl

Der Betriebsrat kann der Kündigung widersprechen, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat. Da bei personenbedingten und verhaltensbedingten Kündigungen keine Sozialauswahl durchzuführen ist, kommt der Widerspruchsgrund nur bei betriebsbedingten Kündigungen in Betracht. Macht der Betriebsrat geltend, der Arbeitgeber habe Arbeitnehmer bei der Sozialauswahl zu Unrecht nicht einbezogen, muss der Betriebsrat die Arbeitnehmer namentlich benennen oder eine Mehrheit unverwechselbar beschreiben (BAG 09.07.2003 Az. 5 AZR 305/02).

b) Verstoß gegen eine Auswahlrichtlinie

In einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung kann festgelegt werden, wie die Gesichtspunkte der Sozialauswahl im Verhältnis zueinander gewichtet werden (§ 95 BetrVG). Eine Auswahlrichtlinie darf aber die gesetzlichen Anforderungen an die Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer nicht verändern (BAG 15.12.2011 Az. 2 AZR 42/10). Die Auswahlrichtlinie ist grob fehlerhaft, wenn Sozialdaten (Lebensalter, Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten, Schwerbehinderung) unzureichend oder mit überhöhter Bedeutung berücksichtigt werden (BAG 24.10.2013 Az. 6 AZR 854/11). Die konkrete Auswahlentscheidung kann allerdings im Arbeitsrecht dennoch ausreichend sein, wenn sich der Fehler im Ergebnis nicht auf die Sozialauswahl auswirkt. Das ist der Fall, wenn dem betreffenden Arbeitnehmer auch bei richtiger Erstellung der Sozialauswahlliste gekündigt worden wäre (BAG 12.08.2010 Az. 2 AZR 945/08).

c) Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz

Der Betriebsrat kann der Kündigung auch widersprechen, wenn der Arbeitnehmer auf einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann. Das ist der Fall, wenn der Arbeitnehmer ohne Änderung der Arbeitsvertragsbedingungen auf einem anderen Arbeitsplatz beschäftigt werden kann. Der Arbeitsplatz, auf dem die Weiterbeschäftigung möglich ist, muss durch den Betriebsrat benannt und in bestimmbarer Weise beschrieben werden.

d) Weiterbeschäftigung nach Umschulung

Das Widerspruchsrecht des Betriebsrates besteht im Arbeitsrecht auch, wenn der Arbeitnehmer auf einem anderen Arbeitsplatz nach einer zumutbaren Umschulung oder Fortbildung weiterbeschäftigt werden kann.

e) Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen

Vor Ausspruch einer betriebsbedingten oder personenbedingten Kündigung hat der Arbeitgeber zu prüfen, ob eine Änderungskündigung als milderes Mittel in Betracht kommt. Ist eine Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen möglich und erteilt der Arbeitnehmer zu der Vertragsänderung sein Einverständnis, ist ebenfalls ein Widerspruch des Betriebsrates möglich.

2. Betriebsverfassungsrechtlicher Weiterbeschäftigungsanspruch

Hat der Arbeitgeber eine ordentliche Kündigung ausgesprochen und ist ein Widerspruch des Betriebsrates aus den vorgenannten Gründen erfolgt, dann kann der Arbeitnehmer oder sein Rechtsanwalt mit einer Kündigungsschutzklage einen Weiterbeschäftigungsanspruch geltend machen (§ 102 Abs. 5 BetrVG).

a) Ordentliche Kündigung, Änderungskündigung

Der betriebsverfassungsrechtliche Weiterbeschäftigungsanspruch besteht nur nach einer ordentlichen Kündigung. Er besteht auch, wenn der Arbeitgeber außerordentlich und hilfsweise ordentlich kündigt.
Im Fall einer Änderungskündigung besteht der Weiterbeschäftigungsanspruch nach Widerspruch des Betriebsrates dann, wenn das Änderungsangebot durch den Arbeitnehmer abgelehnt wird und das Arbeitsverhältnis deshalb beendet werden soll.

b) Ordnungsgemäßer Widerspruch

Der arbeitsrechtliche Weiterbeschäftigungsanspruch besteht nur, wenn der Betriebsrat der Kündigung ordnungs- und fristgemäß widersprochen hat. Für eine ordnungsgemäße Begründung ist es ausreichend, wenn sie es als möglich erscheinen lässt, dass ein gesetzlicher Widerspruchsgrund geltend gemacht wird.

c) Kündigungsschutzklage

Für den Weiterbeschäftigungsanspruch muss der Arbeitnehmeranwalt fristgemäß Kündigungsschutzklage erhoben haben (§§ 1, 23 KSchG). Stellt der Arbeitnehmer durch seinen Rechtsanwalt im Lauf des Prozesses einen Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung, entfällt der Weiterbeschäftigungsanspruch (§ 9 KSchG).

d) Verlangen auf Weiterbeschäftigung

Der Arbeitnehmer muss die Weiterbeschäftigung im unmittelbaren Anschluss an die Kündigungsfrist verlangen. Ein Weiterbeschäftigungsverlangen des Arbeitnehmers am ersten Arbeitstag nach Ablauf der Kündigungsfrist ist noch rechtzeitig (BAG 11.05.2000 Az. 2 AZR 54/99).

3. Rechtsfolgen des Weiterbeschäftigungsanspruches

Der Arbeitgeber ist nach Geltendmachung des Weiterbeschäftigungsanspruches verpflichtet, den Arbeitnehmer auflösend bedingt bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses zu unveränderten Arbeitsbedingungen zu beschäftigten. Auch eine Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz ist durch eine Arbeitsanweisung möglich (BAG 15.03.2001 Az. 2 AZR 141/00). Ist eine Weiterbeschäftigung auf demselben oder einem gleichwertigen Arbeitsplatz nicht möglich, kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer suspendieren.
Nach einem ordnungsgemäßen Widerspruch des Betriebsrates ist der Arbeitgeber auch dann zur Vergütungsfortzahlung verpflichtet, wenn tatsächlich keine Weiterbeschäftigung erfolgt (BAG 07.12.2000 Az. 2 AZR 585/99). Das ist nicht der Fall, wenn der Widerspruch nicht ordnungsgemäß war, keine Weiterbeschäftigung erfolgt und die Kündigungsschutzklage abgewiesen wird.

4. Durchsetzung des Weiterbeschäftigungsanspruches

Der Arbeitnehmer kann seinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung im Arbeitsrecht mit Hilfe eines Anwalts durch Klage oder durch eine einstweilige Verfügung geltend machen (Sächs LAG 01.08.2014 Az. 2 SaGa 10/14). Der Verfügungsgrund ergibt sich aus dem drohenden Zeitablauf. Er bzw. sein Rechtsanwalt ist im Rechtsstreit für die Voraussetzungen des Weiterbeschäftigungsanspruches darlegungs- und beweispflichtig. Die Vollstreckung des Weiterbeschäftigungsanspruches erfolgt durch Festsetzung eines Zwangsgeldes und Zwangshaft gegenüber dem Arbeitgeber (§ 888 ZPO).

5. Einstweilige Verfügung des Arbeitgebers

Der Arbeitgeber kann sich mit Hilfe eines Anwalts durch einstweilige Verfügung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter den folgenden Voraussetzungen entbinden lassen (§ 102 Abs. 5 Nr. 1-3 BetrVG). In diesem Fall bestehen die Vergütungsansprüche des Arbeitnehmers bis zur Entscheidung über die Entbindung fort (BAG 07.03.1996 Az. 2 AZR 432/95).

a) Fehlende Erfolgsaussicht der Kündigungsschutzklage

Die einstweilige Verfügung des Arbeitgebers auf Entbindung von der Weiterbeschäftigungspflicht ist begründet, wenn die Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers keine Aussicht auf Erfolg hat. Das ist der Fall, wenn sie voraussichtlich abgewiesen wird (§ 114 ZPO). Die fehlende Erfolgsaussicht der Klage ist durch den Rechtsanwalt glaubhaft zu machen.

b) Unzumutbare wirtschaftliche Belastung

Führt die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers, ist der Arbeitgeber ebenfalls von der Weiterbeschäftigungspflicht zu befreien. Die wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers ist nur ausnahmsweise unzumutbar, wenn sie für den Betrieb existenzgefährdend wäre. Im Fall einer Betriebsstillegung ist die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers ebenfalls eine unzumutbare wirtschaftliche Belastung (LAG D.-dorf 24.04.2013 Az. 4 SaGa 6/13).

c) Unbegründeter Widerspruch

Der Arbeitgeber ist im Arbeitsrecht auch von der Weiterbeschäftigungspflicht des Arbeitnehmers zu befreien, wenn der Widerspruch des Betriebsrates offensichtlich unbegründet ist. Das ist der Fall, wenn die den Widerspruch begründenden Tatsachen nicht vorliegen oder der Widerspruch nicht ordnungsgemäß war. Der Widerspruch des Betriebsrates ist z.B. nicht ordnungsgemäß, wenn er nicht form- und fristgerecht begründet ist.