Verkehrszivilrecht

Rechtsanwalt Verkehrszivilrecht
Verkehrszivilrecht

Während das Verkehrsstrafrecht und das Verkehrsordnungswidrigkeitenrecht die Rechtsbeziehung zwischen Staat und Bürger zum Gegenstand haben, regelt das Verkehrszivilrecht die rechtliche Beziehung der zivilen Bevölkerung im Verkehrsrecht, also von natürlichen und juristischen Personen, untereinander. Die beiden wichtigsten Anwendungsbereiche, bei denen ein Rechtsanwalt im Verkehrszivilrecht benötigt wird, sind hierbei das Haftungsrecht und das Vertragsrecht.

1. Haftungsrecht oder Verkehrsunfallrecht

Ereignet sich im Straßenverkehr ein Verkehrsunfall, wird meist ein Anwalt zu der Frage benötigt, wer den Unfall verursacht und wer welche Kosten in welcher Höhe zu erstatten hat.

a) Haftungsarten im Verkehrszivilrecht

Das deutsche Recht unterscheidet bei der Haftung im Verkehrszivilrecht zwischen der Verschuldenshaftung und der Gefährdungshaftung, wobei die Verschuldenshaftung der typischste Fall im Bereich des Verkehrsunfallrechtes ist.

aa) Verschuldenshaftung

Stellt eine gesetzliche Vorschrift auf die Verschuldenshaftung ab, haftet der Schädiger dann, wenn der Verkehrsunfall vorsätzlich oder fahrlässig durch ein persönlich vorwerfbares Verhalten verursacht worden ist. Es ist also durch den Anwalt zu untersuchen, ob von dem Schädiger eine (verbotene) Handlung vorgenommen worden ist, die in ihrer Konsequenz zu einem Verkehrsunfall geführt hat und inwieweit diese von dem Schädiger bewusst oder unbewusst vorgenommen wurde.

bb) Gefährdungshaftung

Den Gegensatz hierzu bildet im Verkehrszivilrecht die Gefährdungshaftung. Bei der Gefährdungshaftung spielt ein Verschulden des Schädigers in der Regel keine Rolle. Es kommt also nicht darauf an, ob von ihm eine bestimmte (verbotene) Handlung vorsätzlich oder fahrlässig begangen worden ist. Stattdessen ist nur maßgeblich, ob der Schädiger überhaupt eine Handlung vorgenommen hat, die zwangsläufig zu einer Verkehrsgefährdung von anderen führt. Hiervon ist der Gesetzgeber im Verkehrszivilrecht bei der Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeuges ausgegangen.

Gem. § 7 Abs. 1 StVG ist der Halter eines Fahrzeuges verpflichtet, wenn beim Betrieb eines Kraftfahrzeuges ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt wird, den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen. Fahrzeughalter ist derjenige, der das Fahrzeug für eigene Rechnung und im eigenen Interesse nicht nur vorübergehend in Gebrauch hat und die Verfügungsgewalt über das Fahrzeug besitzt (BGH 29.05.1954, Az. VI ZR 111/53). Um eine Haftung im Verkehrszivilrecht auszulösen reicht es also schon aus, das Fahrzeug in Betrieb zu nehmen. Kommt es hierbei zu einem Verkehrsunfall, haftet der Fahrzeughalter für alle daraus entstehenden Schäden zumindest mit.

cc) Haftungsausschluss wegen höherer Gewalt

Nur bei Vorliegen von höherer Gewalt kann die Haftung im Verkehrszivilrecht nach dem Grundsatz der Gefährdungshaftung entfallen (§ 7 Abs. 2 StVG). Höhere Gewalt liegt dann vor, wenn ein außergewöhnliches, betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder Handlungen dritter Personen herbeigeführtes Ereignis gegeben ist, dass nach menschlicher Einsicht und Erfahrung nicht vorhersehbar ist und mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch die äußerste, vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet oder unschädlich gemacht werden kann (BGH 17.10.1985, Az. III ZR 99/84). Höhere Gewalt liegt im Verkehrszivilrecht z. B. bei einem unvorhersehbaren Steinschlag auf der Autobahn vor (LG Hdlbg. 21.10.2011, Az. 5 S 30/11).
Auch entfällt die Haftung im Verkehrszivilrecht, wenn sich ein Dritter ohne die Zustimmung des Fahrzeughalters des Fahrzeuges bemächtigt und während dieser „Schwarzfahrt“ einen Verkehrsunfall verursacht (§ 7 Abs. 3 StVG).

dd) Mitverschulden

In den Fällen, in denen ein Verhalten des Geschädigten mitursächlich für den Verkehrsunfall war, wird die Haftung des Schädigers im Verkehrszivilrecht begrenzt. Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Geschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist (§ 9 StVG i.V.m. § 254 BGB).

Liegt also seitens des Geschädigten eine Handlung vor, die für den eigentlichen Schaden mitursächlich war, muss der Schädiger nicht in vollem Umfang haften. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn ein Motorradfahrer keinen Helm trägt und es in Folge eines unfallbedingten Sturzes zu einer Kopfverletzung kommt. Bei einem Fahrradfahrer liegt hingegen kein Mitverschulden vor, wenn er bei einem Verkehrsunfall eine Kopfverletzung erleidet, da keine gesetzliche Vorschrift existiert, die den Fahrradfahrern eine Helmpflicht auferlegen. Auch trifft den Insassen eines Fahrzeuges ein Mitverschulden, wenn er nicht angegurtet war und es aufgrund dessen zu einer Verletzung kommt.

b) Schaden

Gem. § 249 Abs. 1 BGB hat derjenige, der zum Schadensersatz verpflichtet ist, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Der Geschädigt soll also so gestellt werden, als ob er nie einen Schaden erlitten hat. Deshalb sind neben den Sachschäden und den Heilbehandlungskosten auch eventuell erlittene Schmerzen, Verdienstausfall, Mietwagenkosten, Nutzungsausfall, Haushaltsführungsschaden und die Unkostenpauschale in Geld auszugleichen.

c) Beweislast

Wer aufgrund eines Verkehrsunfalls geschädigt wurde muss den Unfallhergang zunächst selbst oder durch seinen Rechtsanwalt darlegen und beweisen. Der Beweis kann mittels Zeugen oder durch Einholung eines unfallanalytischen Gutachtens geführt werden. Inwieweit die Verwertung einer mittels Dashcam aufgenommenen Videoaufzeichnung zulässig ist, ist noch nicht abschließend geklärt.
Darüber hinaus muss der Geschädigte oder sein Rechtsanwalt auch den erlittenen Schaden darlegen und beweisen. Das kann entweder mittels Vorlage einer Rechnung (z.B. für die Reparatur oder für ein Medikament) erfolgen und falls der Schaden noch nicht repariert wurde, durch Vorlage eines Kostenvoranschlages oder durch Einholung eines Sachverständigengutachtens.

Sollte am Fahrzeug ein reparierter Vorschaden vorhanden gewesen sein, muss der Geschädigte bzw. sein Anwalt beweisen, dass dieser Vorschaden auch tatsächlich repariert wurde. Gelingt dem Geschädigten dieser Beweis nicht, kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Schaden im Rahmen der Schadensregulierung nochmals mit geltend gemacht wird. Deshalb kann in diesem Fall der Schädiger bzw. dessen Versicherung die Regulierung des Schadens verweigern.

2. Vertragsrecht als Teil des Verkehrszivilrechts

Ein weiterer Schwerpunkt im Verkehrszivilrecht, bei dem oft ein Rechtsanwalt benötigt wird, ist das Vertragsrecht. Dieses Rechtsgebiet befasst sich unter anderem mit dem Kauf und der Übereignung eines Fahrzeuges oder dem Leasing eines Fahrzeuges.
Innerhalb dieses Rechtsgebietes kommt es maßgeblich darauf an, ob eine vertragliche Beziehung zwischen zwei Verbrauchern oder zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer zustande kommt, da sich je nach Konstellation andere Rechte und Pflichten ergeben können. Wird das Fahrzeug z.B. von einem Unternehmer verkauft, ist dieser aufgrund gesetzlicher Bestimmungen verpflichtet, zumindest ein Jahr Gewährleistung zu geben. Wird das Fahrzeug hingegen von einem Verbraucher verkauft, ist dieser berechtigt, die Gewährleistung auszuschließen. Gem. § 13 BGB ist ein Verbraucher jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können.

Hingegen handelt es sich bei einem Unternehmer um eine natürliche oder juristische Person oder rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit handelt (§ 14 BGB). Es ist also zu unterscheiden, ob das Vertragsverhältnis eher dem geschäftlichen oder dem privaten Bereich zuzuordnen ist. So kann es sich auch bei dem Geschäftsführer eines Autohauses um einen Verbraucher handeln, wenn dieser für seine privaten Zwecke ein Fahrzeug kaufen möchte.
Stellt sich nach der Übergabe des Fahrzeuges heraus, dass ein Mangel vorliegt, stehen dem Erwerber, egal ob es sich bei diesem um einen Verbraucher oder einen Unternehmer handelt, mehrere Gewährleistungsrechte zur Verfügung. So kann er z.B. Nachbesserung oder -lieferung verlangen oder den Kaufpreis mindern oder vom Kaufvertrag ganz zurücktreten.

3. Versicherungsrecht im Verkehrszivilrecht

Ein weiterer Bereich, der dem Verkehrszivilrecht zuzuordnen ist, ist das Versicherungsrecht. Im Versicherungsrecht wird ein Rechtsanwalt vorwiegend zu der Frage eingeschaltet, welche Versicherung (Haftpflicht- oder Kaskoversicherung) welchen Schaden zu ersetzen hat oder ob Gründe vorliegen (z.B. vorsätzliches Handeln), die eine Einstandspflicht dieser entfallen lassen.
Sinn und Zweck der Haftpflichtversicherung ist es, den Schaden zu ersetzen, der bei dem Geschädigten entstanden ist. Der Versicherte an sich muss also keine Zahlung an den Geschädigten leisten. Liegt ein Versicherungsfall vor, werden jedoch in der Folge zumeist die Versicherungsprämien erhöht, sodass der Versicherte zumindest indirekt den Schaden mit bezahlt.
Die Kaskoversicherung hingegen soll den Schaden erstatten, der bei dem Versicherten am eigenen Fahrzeug entstanden ist.