Nötigung im Straßenverkehr

Anwalt Nötigung im Straßenverkehr
Verkehrsstrafrecht – Nötigung im Straßenverkehr

Dichtes Auffahren, versperren der Überholspur oder andauerndes Hupen, kann eine Nötigung im Straßenverkehr darstellen. Ein Rechtsanwalt für Verkehrsrecht wird als Verteidiger im Strafverfahren bei einem Vorwurf der Nötigung im Straßenverkehr benötigt. Was genau Nötigung im Straßenverkehr ist und wie dieses Delikt geahndet wird, möchten wir als Rechtsanwälte für Verkehrsrecht hier erklären.

A. Nötigung

Wer einen Fahrzeugführer rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird gemäß § 240 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. § 240 StGB schützt die Freiheit der Willensentscheidung und Willensbetätigung vor Angriffen, die mit Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel, begangen werden.

1. Gewalt oder Drohung

Unter Gewalt versteht man jedes Mittel, mit dem auf den Willen oder das Verhalten eines Anderen durch ein gegenwärtiges empfindliches Übel eine Zwangswirkung ausgeübt wird. Unter einer Drohung versteht man das Inaussichtstellen eines zukünftigen Übels.
Da im Verkehrsrecht die Drohung eher selten passiert, möchten wir uns als Rechtsanwälte nur mit dem Gewaltbegriff auseinandersetzen.
Gewalt kann psychisch und physisch gegenüber einem anderen ausgeübt werden, wobei diese Einwirkung von besonderer Dauer und Intensität sein muss. Eine kurzzeitige oder geringe Einwirkung wird deshalb nicht als Gewalt qualifiziert. Für die Erfüllung des Gewaltbegriffes muss bei einer psychischen Einwirkung noch eine körperliche Komponente hinzukommen (BverfG, Az. 1 BvR 718, 719, 722). Wie die körperliche Komponente auszusehen hat, wollen wir nachfolgend erklären.

2. Gewalt durch bewusstes Versperren des Weges

a) Versperrt ein Fußgänger einem Auto den Weg, liegt lediglich eine psychische Zwangseinwirkung auf den Fahrer vor. Der Fahrer könnte rein theoretisch weiterfahren, tut dies aber nicht, da er den Fußgänger nicht überfahren will. Der Fußgänger hat eine psychische Schranke für den Autofahrer geschaffen. Für den Gewaltbegriff ist es jedoch erforderlich, dass auch körperlich auf einen anderen eingewirkt wird. Deshalb kann in diesem Beispiel die Nötigung im Straßenverkehr nicht bejaht werden.
Steht jedoch das Fahrzeug und legt sich der Fußgänger mit seinem Körper auf die Motorhaube des Fahrzeugs um ihn am Weiterfahren zu hindern, so liegt zusätzlich eine körperliche Komponente vor, sodass eine Nötigung im Straßenverkehr zu bejahen ist (BGH 23.04.2002, Az. 1 StR 100/02).

b) Das bewusste Versperren eines Weges mittels eines Hindernisses kann unter Umständen ebenfalls eine Nötigung im Straßenverkehr darstellen.
Bei Sitzblockaden geht man regelmäßig nicht von einer körperlichen Zwangswirkung aus. Durch die Sitzblockade wird man lediglich psychisch beeinflusst, z. B. wenn der Fahrer fürchtet, im Falle des Weiterfahrens einen Menschen zu verletzen. Erst wenn es für den Autofahrer ein Kraftakt wird, die Sitzblockade zu umfahren bzw. zu umgehen, kann von einer physischen Komponente gesprochen werden. Die Nötigung im Straßenverkehr wäre zu bejahen
Wird der Weg mittels eines Fahrzeugs versperrt, liegt die Sachlage ähnlich. Hier wird lediglich eine psychische Barriere geschaffen, die Autofahrer am Weiterfahren hindert. Muss auch hier ein Kraftakt getätigt werden um die Barriere zu umgehen, so kann man eine Nötigung im Straßenverkehr bejahen.

3. Gewalt durch dichtes Auffahren

Auch dichtes Auffahren kann unter Umständen als Gewalt angesehen werden, wenn die psychische Einwirkung so intensiv ist, dass beim Fahrer auch körperliche Reaktionen eintreten, wie Angstschweiß, erhöhter Puls etc.
Das kann der Fall sein, wenn bei einer Geschwindigkeit von 100 km/h über mehrere Kilometer immer äußerst dicht auf das vorausfahrende Fahrzeug aufgefahren wird (BGHSt 19, 263).
Dabei muss jedoch der psychische Zwang eine gewisse Dauer haben, damit es zu einer körperlichen Reaktion kommen kann.

Ist die „Verfolgungsstrecke“ lediglich 170 m lang und die Geschwindigkeit beträgt 120 km/h und der Auffahrabstand 5 m, so liegt keine Gewalt vor (BayObLG 16.01.1990 Az. RReg 2 St 318/89).
Auch bei einer Strecke von 150 m, einer Geschwindigkeit von 80 km/h und einem Auffahrabstand von lediglich 50 cm, liegt noch keine Nötigung im Straßenverkehr vor (OLG Hm. DAR 1990, 392).
Ob die Geschwindigkeit oder die Dauer der psychischen Beeinflussung oder die Intensität der Situation ausschlaggebend ist um ein Verhalten als Nötigung im Straßenverkehr zu beurteilen, ist immer Einzelfallabhängig und kann nicht pauschal beantwortet werden.

4. Gewalt durch Verhindern des Überholens

Auch das Verhindern eines erlaubten Überholvorganges kann unter bestimmten Voraussetzungen eine Nötigung im Straßenverkehr darstellen. Das ist der Fall, wenn die Behinderung zum Überholen völlig grundlos erfolgt. Eine Nötigung kann es aber auch darstellen, wenn das Überholen absichtlich (z.B. durch beharrliches links fahren auf einer freien Autobahn) behindert oder absichtlich zu langsam gewährt wird. Ebenso kann eine Nötigung im Straßenverkehr vorliegen, wenn der Nachfolgende zu einer unangemessenen massiven Geschwindigkeitsreduzierung gezwungen wird.

5. Weitere Einzelfälle der Nötigung im Straßenverkehr

a) Schneidet ein Kraftfahrer den Überholten, liegt eine Nötigung im Straßenverkehr vor, da der Überholte in dieser Situation regelmäßig zum Abbremsen gezwungen wird.

b) Auch das Kolonnenspringen (schneller Fahrspurwechsel bei Verkehrsstau um schneller voranzukommen) kann eine Nötigung im Straßenverkehr darstellen. Dazu ist es erforderlich, dass entgegenkommende oder überholte Fahrzeuge bewusst vorsätzlich zum starken Bremsen veranlasst bzw. gezwungen werden.

c) Bei einem Aufleuchtenlassen der Bremslichter kann im Regelfall keine Nötigung angenommen werden. Hier mag zwar unter Umständen eine psychische Zwangseinwirkung vorliegen, jedoch fehlt es an der körperlichen Komponente.

d) Ständiges Hupen und Zeichengeben zur Räumung der linken Fahrbahn auf einer Autobahn kann eine Nötigung im Straßenverkehr darstellen, wenn dieses über eine längere Strecke durchgeführt wird und der Vordermann dadurch in Bedrängnis kommt.

e) Wer als Fußgänger mit seinem Körper eine Parklücke versperrt, nötigt niemanden, da es an der körperlichen Zwangseinwirkung fehlt. Gleichwohl handelt der Fußgänger nach § 12 Abs. 5 StVO rechtswidrig. Möchte nun der Fahrer mit seinem Fahrzeug trotzdem in die Parklücke, kann eine Nötigung nur angenommen werden, wenn der Fahrer so schnell in die Parklücke fährt, dass sich der Fußgänger nur mit einem Sprung zur Seite vor Verletzungen schützen kann.

B. Notwehr im Straßenverkehr

Notwehr ist die Verteidigung, die die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden, ohne eine Bestrafung fürchten zu müssen. Es ist die Freiheit jedes Verkehrsteilnehmers, sich ohne verkehrsfremde Beeinträchtigungen im Straßenverkehr fortzubewegen. Jedoch haben die Verkehrsteilnehmer kein Notwehrrecht innerhalb des Verkehrsgeschehens, auch wenn Verstöße gegen die StVO vorliegen.
Jedoch kann ein Notwehrrecht vorliegen, wenn es um verkehrsfremde Situationen geht. Eine verkehrsfremde und notwehrfähige Situation wäre zum Beispiel gegeben, wenn ein Kraftfahrer aus seinem Fahrzeug aussteigt um den dahinter stehenden Fahrer auf sein vorangegangenes Fehlverhalten anzusprechen.
Ebenso besteht kein Notwehrrecht bei alltäglichen Beleidigungen, wie z.B. dem Stinkefinger oder jemandem den „Vogel zeigen“.