Betriebsratsanhörung

Rechtsanwalt Betriebsratsanhörung Arbeitsrecht
Betriebsratsanhörung im Arbeitsrecht

Wenn in einem Betrieb ein Betriebsrat existiert, hat vor jeder Kündigung eines Arbeitnehmers eine Betriebsratsanhörung durch den Arbeitgeber zu erfolgen (§ 102 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)). Eine ohne Betriebsratsanhörung ausgesprochene Kündigung ist im Arbeitsrecht unwirksam. Aber auch wenn eine Betriebsratsanhörung erfolgt ist, kann diese fehlerhaft sein und zu einer Unwirksamkeit der Kündigung führen (ArbG Leipzig 15.11.2005, Az. 17 Ca 2088/05). Bei einem Widerspruch des Betriebsrates gegen die Kündigung entsteht der betriebsverfassungsrechtliche Weiterbeschäftigungsanspruch. Es kann deshalb empfehlenswert sein, durch einen Rechtsanwalt oder Fachanwalt für Arbeitsrecht prüfen zu lassen, ob die Betriebsratsanhörung vor Ausspruch der Kündigung wirksam erfolgt ist. Was bei einer Betriebsratsanhörung vor Ausspruch einer Kündigung aus der Sicht eines Rechtsanwalts zu beachten ist, wollen wir deshalb nachfolgend erläutern.

1. Geltungsbereich der Regelung

a) Betriebsrat

Zunächst muss im Betrieb ein Betriebsrat existieren. Das ist bei einer erstmaligen Betriebsratswahl der Fall, sobald sich der Betriebsrat konstituiert hat. Bei einer Betriebsstilllegung bleibt der Betriebsrat im Amt (§ 21 b BetrVG) und ist anzuhören, solange noch nicht alle Arbeitsverhältnisse beendet sind (BAG 25.10.2007 Az. 8 AZR 917/06).
Ein Gesamtbetriebsrat ist für die Betriebsratsanhörung im Fall einer Kündigung i.d.R. nicht zuständig (BAG 24.05.2012 Az. 2 AZR 62/11). Das kann nur der Fall sein, wenn ein Arbeitsverhältnis mehreren Betrieben im Unternehmen zuzuordnen ist.

b) Arbeitnehmer

Die Anhörungspflicht erstreckt sich nur auf Arbeitnehmer i.S. § 5 Abs. 1 BetrVG, denen der Arbeitgeber kündigen will. Hierzu zählen Arbeiter, Angestellte und Auszubildende aber z. B. nicht die leitenden Angestellten.
Dennoch ist der Betriebsrat vor der Kündigung eines leitenden Angestellten zu informieren (§ 105 BetrVG). Bestehen Zweifel, ob es sich um einen leitenden Angestellten oder Arbeitnehmer handelt, sollte der Arbeitgeber den Betriebsrat nicht nur über die Kündigung informieren, sondern eine Betriebsratsanhörung gem. § 102 Abs. 1 BetrVG durchführen.

2. Gegenstand, Adressat und Form der Betriebsratsanhörung

a) Anhörung vor jeder Kündigung

Die Betriebsratsanhörung muss im Arbeitsrecht vor jeder Kündigung erfolgen. Hierzu gehören auch Änderungskündigungen oder Kündigungen vor Dienstantritt. Auch innerhalb einer Probezeit müssen dem Betriebsrat die Kündigungsgründe mitgeteilt werden. Auch wenn das Kündigungsschutzgesetz nicht gilt, wie z.B. bei einer Kündigung in Kleinbetrieben, muss die Betriebsratsanhörung erfolgen (BAG 22.09.2005 Az. 6 AZR 607/04).
Bei einer außerordentlichen und hilfsweise ordentlichen Kündigung muss der Betriebsrat zu beiden Kündigungsgründen angehört werden. Der Arbeitgeber muss hier die unterschiedlichen Äußerungsfristen beachten.
Wurde nach der Betriebsratsanhörung durch den Arbeitgeber die Kündigung ausgesprochen, muss für eine Wiederholungskündigung eine erneute Anhörung des Betriebsrates erfolgen (BAG 10.11.2005 Az. 2 AZR 623/04). Der Ausspruch der Kündigung ist erfolgt, sobald sie dem Arbeitnehmer zugegangen ist.

b) Anhörung vor Ausspruch der Kündigung

Die Anhörung ist vor der Absendung des Kündigungsschreibens durchzuführen. Die Betriebsratsanhörung muss also abgeschlossen sein, bevor das Kündigungsschreiben den Machtbereich des Arbeitgebers verlässt, also zur Post gegeben wird (BAG 13.12.2012 Az. 6 AZR 348/11). Der Arbeitgeber kann das Kündigungsschreiben am letzten Tag der Äußerungsfrist bereits einem Kurierdienst übergeben, wenn er sichergestellt hat, dass er die Zustellung an den Arbeitnehmer noch für den Fall verhindern kann, dass der Betriebsrat in den letzten Stunden der Frist eine Stellungnahme abgibt (BAG 24.09.2015 Az. 2 AZR 562/14).
Die Anhörung zu einer beabsichtigten Kündigung ist unwirksam, wenn die spätere Kündigung auf zusätzliche Gründe gestützt wird. In diesem Fall muss eine erneute Betriebsratsanhörung erfolgen.

c) Adressat der Anhörung

Für die Entgegennahme der Betriebsratsanhörung ist der Betriebsratsvorsitzende zuständig (§ 26 Abs. 3 S. 2 BetrVG) und wenn dieser verhindert ist, sein Stellvertreter. Der Betriebsrat kann auch ein Mitglied für den Empfang der Mitteilung bevollmächtigen. Die Übergabe an ein beliebiges Betriebsratsmitglied, der vergisst die Mitteilung an den Betriebsratsvorsitzenden weiterzugeben, macht die Betriebsratsanhörung unwirksam. Die Übergabe der Anhörung an den Betriebsratsvorsitzenden oder an den Stellvertreter kann auch außerhalb des Betriebes erfolgen, wenn diese damit einverstanden sind (BAG 07.07.2011 Az. 6 AZR 248/10). Ist kein zur Entgegennahme Berechtigter vorhanden, ist jedes Betriebsratsmitglied berechtigt und verpflichtet, Erklärungen des Arbeitgebers für den Betriebsrat entgegenzunehmen

d) Form der Anhörung

Eine besondere Form ist für die Betriebsratsanhörung im Arbeitsrecht nicht vorgesehen. Die Anhörung kann also auch mündlich oder telefonisch erfolgen. Das Unterrichtungsverfahren beginnt bei schriftlichen Anhörungen, sobald dem Betriebsrat das Anhörungsschreiben zugegangen ist. Bei der Zustellung des Anhörungsschreibens an ein Postfach beginnt die Anhörungsfrist am gleichen Tag, wenn der Arbeitgeber an dem Tag mit einer Leerung des Postfachs rechnen durfte. Anhörungen außerhalb der Arbeitszeit darf der Betriebsrat zurückweisen. In diesem Fall beginnt die Anhörungsfrist ab Zugang während der Arbeitszeit.

3. Allgemeiner Inhalt der Betriebsratsanhörung

Sinn des Anhörungsverfahrens im Arbeitsrecht ist es, dass dem Betriebsrat Gelegenheit gegeben wird, seine Überlegungen zur Kündigungsabsicht des Arbeitgebers zur Kenntnis zu bringen und ggf. dazu beizutragen, dass eine Kündigung vermieden wird. Deshalb hat der Arbeitgeber den Betriebsrat so genau zu informieren, dass er sich über die Person des Arbeitnehmers und über die Kündigungsgründe ein eigenes Bild machen kann (BAG 06.10.2005 Az. 2 AZR 316/04).

a) Mitteilung der Kündigungsgründe

Der Kündigungsgrund muss dem Betriebsrat so genau mitgeteilt werden, dass er in der Lage ist, die Kündigungsgründe zu prüfen. Dabei ist der Betriebsrat schon dann ordnungsgemäß angehört, wenn der Arbeitgeber die aus seiner Sicht tragenden Kündigungsgründe mitgeteilt hat (subjektive Determination des Anhörungsverfahrens). Teilt der Arbeitgeber objektiv erhebliche Tatsachen nicht mit, weil er die Kündigung hierauf nicht stützen will, ist die Betriebsratsanhörung dennoch ordnungsgemäß. Eine solche objektiv unvollständige Betriebsratsanhörung führt aber auch dazu, dass der Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess keine Kündigungsgründe nachschieben kann, zu denen der Betriebsrat nicht angehört wurde (BAG 23.02.2012 Az. 2 AZR 773/10).

Schildert der Arbeitgeber dem Betriebsrat einen schon aus seiner eigenen Sicht (subjektiv) unrichtigen Sachverhalt, der sich zum Nachteil des Arbeitnehmers auswirken kann, ist die Betriebsratsanhörung unzureichend und die Kündigung unwirksam. Eine unbewusst erfolgte objektive Fehlinformation, führt dagegen im Arbeitsrecht nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung. Maßgeblich ist also, ob der Arbeitgeber subjektiv gutgläubig und trotz objektiver Falschinformation dem Sinn und Zweck der Betriebsratsanhörung Genüge getan hat. Hält es der Arbeitgeber aber für möglich, dass er objektiv falsche Tatsachen mitteilt, dann handelt er nicht gutgläubig (BAG 16.07.2015 Az. 2 AZR 15/15).
Umstände der Kündigung, die sich objektiv zugunsten des Arbeitnehmers auswirken können, darf der Arbeitgeber dem Betriebsrat nicht deshalb vorenthalten, weil sie für seinen Kündigungsentschluss nicht von Bedeutung waren (BAG 19.11.2015 Az. 2 AZR 217/15).
Gibt der Betriebsrat zu erkennen, dass er über die Kündigungsgründe vollständig unterrichtet ist, muss er hierzu nicht unterrichtet werden.

b) Umfang der Betriebsratsanhörung

Der Betriebsrat ist über die Kündigungsgründe so genau zu unterrichten, dass er ohne eigene Nachforschungen in der Lage ist, sich ein Bild von der Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu machen. Hierzu gehört auch die Mitteilung von entlastenden Umständen. Eine pauschale oder schlagwortartige Umschreibung des Kündigungssachverhaltes genügt nicht.

c) Kenntnis der Kündigungsgründe

Sind dem Betriebsrat die Kündigungsgründe bekannt, kann sich der Arbeitgeber darauf beschränken den Tatsachenkomplex mitzuteilen, auf den sich die Kündigung bezieht. Hierzu kann er pauschal auf die Kündigungsgründe verweisen (BAG 23.06.2009 Az. 2 AZR 474/07). Dem Betriebsrat ist nur das Wissen der zur Entgegennahme von Betriebsratsanhörungen ermächtigten Personen zuzurechnen. Es muss also i.d.R. der Betriebsratsvorsitzende oder sein Stellvertreter Kenntnis von den Kündigungsgründen haben (§ 26 Abs. 3 Nr. 2 BetrVG). Der Arbeitgeber bzw. der beauftragte Anwalt ist im Streitfall darlegungs- und beweispflichtig, dass der Betriebsrat bereits Kenntnis von den Kündigungsgründen hatte

d) Kündigung ohne Kündigungsschutz

Wenn auf das Arbeitsverhältnis das Kündigungsschutzgesetz noch keine Anwendung findet, weil es noch nicht 6 Monate bestanden hat, sind die Kündigungsgründe noch nicht nach den Regelungen des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG zu beschreiben. Es reicht hier aus, wenn der Arbeitgeber mitteilt, welches subjektive Werturteil (subjektive Determination) seinen Kündigungsentschluss herbeigeführt hat (BAG 12.09.13 Az. 6 AZR 121/12).

4. Einzelheiten zum Inhalt der Betriebsratsanhörung

a) Name und Sozialdaten

Zunächst ist in der Betriebsratsanhörung der Name des Arbeitnehmers mitzuteilen. Zumindest bei einer betriebsbedingten Kündigung sind Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten und Familienstand und ein etwaiger Sonderkündigungsschutz mitzuteilen (ArbG Leipzig 05.09.2008 Az. 15 Ca 877/08). Das kann allerdings unterbleiben, wenn das Arbeitsverhältnis noch keine 6 Monate dauerte und deshalb kein Kündigungsschutz besteht (§ 1 Abs. 1 KSchG). Auch bei einer verhaltensbedingten Kündigung kann die Mitteilung der Sozialdaten entbehrlich sein, wenn sie wegen der Schwere der Pflichtverletzung nicht von Bedeutung sind.

b) Art der Kündigung

Sodann muss die Art der Kündigung, also ob eine ordentliche Kündigung oder außerordentliche Kündigung bzw. Änderungskündigung beabsichtigt ist, in der Betriebsratsanhörung mitgeteilt werden.
Will der Arbeitgeber außerordentlich und hilfsweise ordentlich kündigen, muss auch dies dem Betriebsrat mitgeteilt werden, wenn der Arbeitgeber nicht Gefahr laufen will, dass die Kündigung unwirksam ist, weil der Betriebsrat nicht zur hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung angehört wurde (BAG 15.05.1997 2 AZR 519/96).

c) Kündigungstermin und Kündigungsfrist

Weiterhin sind in der Regel auch Kündigungsfrist und Kündigungstermin zumindest dann mitzuteilen, wenn die Kündigung nicht alsbald ausgesprochen werden kann. Die Kündigungsfrist muss nicht mitgeteilt werden, wenn der Betriebsrat die Frist kennt und der Arbeitgeber erklärt die Kündigung alsbald aussprechen zu wollen. Die fehlerhafte Angabe des Kündigungstermins ist unschädlich. Nur wenn der Arbeitgeber völlig offen lässt, mit welcher Frist und zu welchem Termin die Kündigung erklärt werden soll, ist die Betriebsratsanhörung unwirksam (BAG 25.04.2013 Az. 6 AZR 49/12).

d) Personenbedingte Kündigung

Hauptanwendungsfall der personenbedingten Kündigung im Arbeitsrecht, ist die Kündigung wegen einer Krankheit. Insbesondere bei der krankheitsbedingten Kündigung hat der Arbeitgeber die einzelnen Fehlzeiten und ggf. die Art der Erkrankung in der Betriebsratsanhörung darzulegen und die Tatsachen, aus denen sich eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher oder wirtschaftlicher Interessen ergibt (z. B. Entgeltfortzahlungskosten). Ausreichend ist es, wenn der Arbeitgeber die Krankheitsdauer in Kalendertagen und die Entgeltfortzahlungskosten in einer Summe mitteilt (BAG 07.11.2002 Az. 2 AZR 599/01).

e) Verhaltensbedingte Kündigung

Bei der verhaltensbedingten Kündigung ist der Lebenssachverhalt des Kündigungsgrundes (z. B. Arbeitsverweigerung, Beleidigungen oder Tätlichkeiten) zu beschreiben. Außerdem sind die für die Interessenabwägung bedeutsame Umstände (z. B. Abmahnungen) mitzuteilen oder auch die Dauer des bisherigen störungsfreien Verlaufs des Arbeitsverhältnisses (ArbG Leipzig 11.10.2005 Az. 3 Ca 3573/05).
Wurde der Betriebsrat dazu angehört, dass dem Arbeitnehmer wegen einer erwiesenen Straftat gekündigt werden soll, kann der Arbeitgeber später die Kündigung nicht auf den Verdacht einer Straftat stützen, da hierzu der Betriebsrat nicht angehört wurde. Insoweit liegt ein unzulässiges Nachschieben von Kündigungsgründen im Arbeitsrecht vor (BAG 23.04.2008 Az. 2 ABR 71/07).

f) Verdachtskündigung

Wenn der Arbeitgeber wegen des Verdachts einer strafbaren Handlung (Verdachtskündigung) und nicht wegen einer erwiesenen Tat (Tatkündigung) kündigen will, muss er das in der Betriebsratsanhörung deutlich mitteilen, denn beide Sachverhalte stellen eigenständige Kündigungsgründe dar (BAG 20.08.1997 Az. 2 AZR 620/96).
Vor Ausspruch einer Verdachtskündigung muss im Arbeitsrecht ferner eine Anhörung des Arbeitnehmers zu dem Verdacht erfolgen. Die Anhörung des Arbeitnehmers hat vor der Betriebsratsanhörung zu erfolgen und ist dem Betriebsrat ebenfalls mitzuteilen, denn die Anhörung gehört zum Kündigungsgrund (LAG Hm. 30.03.2012 Az. 18 Sa 1801/11).

Wurde der Betriebsrat zu einer Verdachtskündigung angehört, kann der Arbeitgeber sich auch auf eine Tatkündigung berufen, wenn dem Betriebsrat der Lebenssachverhalt mitgeteilt wurde, mit dem sich auch eine Tatkündigung begründen lässt. Hat der Arbeitgeber aber den Betriebsrat zu einer Tatkündigung angehört und lässt sich die Tat nicht beweisen, kann er nachträglich die Kündigung nicht auf den Verdacht stützen, denn hier würde es sich um das unzulässige Nachschieben eines anderen Kündigungsgrundes handeln. Hier ist vielmehr der Betriebsrat erneut zur Tatkündigung zu hören und eine weitere Kündigung auszusprechen (BAG 20.06.2013 Az. 2 AZR 546/12).

g) Betriebsbedingte Kündigung

Hier sind dem Betriebsrat in der Betriebsratsanhörung die Tatsachen mitzuteilen, aus denen sich der betriebsbedingte Kündigungsgrund ergibt und das es keine Möglichkeit der Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz gibt. Benennt der Betriebsrat Arbeitsplätze auf denen eine Weiterbeschäftigung möglich wäre und hat der Arbeitgeber hierüber zunächst irrtümlich objektiv falsch informiert, muss der Arbeitgeber außerdem in der Betriebsratsanhörung darauf eingehen, warum das nicht möglich ist (BAG 11.10.1989 Az. 2 AZR 61/89).

Der Arbeitgeber muss zudem mitteilen, warum die Sozialauswahl zuungunsten des zu kündigenden Arbeitnehmers ausgefallen ist. Hierzu gehört i.d.R., dass der Arbeitgeber die Sozialauswahldaten (z. B. Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten, Familienstand) der aus seiner Sicht vergleichbaren Arbeitnehmer benennt und nach welcher Wertung er die Sozialauswahl vorgenommen hat (BAG 20.05.1999 Az. 2 AZR 532/98). Ist der Arbeitgeber der Meinung, dass keine Sozialauswahl durchzuführen ist, macht das die Betriebsratsanhörung nicht fehlerhaft, wenn er das dem Betriebsrat so mitteilt (BAG 12.08.2010 Az. 2 AZR 945/08). Sozialdaten von Arbeitnehmern, die nach Meinung des Arbeitgebers nicht in die Sozialauswahl einzubeziehen sind, muss der Arbeitgeber nicht mitteilen.

h) Änderungskündigung

Bei einer Betriebsratsanhörung zu einer Änderungskündigung im Arbeitsrecht, hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat das Änderungsangebot und die Gründe für die beabsichtigte Änderung der Arbeitsbedingungen mitzuteilen. Will er sich bei einer Ablehnung der Änderungen durch den Arbeitnehmer eine Beendigungskündigung vorbehalten, muss auch das dem Betriebsrat mitgeteilt werden. Bleibt für den Betriebsrat offen, ob die Ablehnung des Änderungsangebots die Beendigungskündigung zur Folge haben soll, liegt hinsichtlich der Beendigungskündigung keine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung vor (BAG 30.11.1989 Az. 2 AZR 197/89).

5. Beendigung des Anhörungsverfahrens

a) Fristen für die Stellungnahme

Der Betriebsrat hat bei einer ordentlichen Kündigung eine Woche Zeit, um eine Stellungnahme zur Kündigung abzugeben. Bei einer außerordentlichen Kündigung hat der Betriebsrat drei Kalendertage Zeit um eine Stellungnahme abzugeben. Eine vor Ablauf der Fristen ausgesprochene Kündigung ist unwirksam (§ 102 Abs. 1 und 2 BetrVG). Die Abfassung der Stellungnahme obliegt dem Betriebsratsvorsitzenden.
Gibt der Betriebsrat innerhalb dieser Fristen keine Stellungnahme ab, kann der Arbeitgeber nach Fristablauf kündigen. In diesem Fall gilt die Zustimmung zur Kündigung als erteilt.

b) Abschließende Stellungnahme des Betriebsrates

Hat der Betriebsrat vor Fristablauf eine abschließende Stellungnahme abgegeben, kann der Arbeitgeber bereits vor Ablauf der oben genannten Fristen kündigen (BAG 03.04.2008 Az. 2 AZR 965/06). Der Stellungnahme muss eindeutig zu entnehmen sein, dass sich der Betriebsrat bis zum Ablauf der Anhörungsfrist nicht noch einmal – und auch nicht ergänzend – äußern möchte. Eine abschließende Stellungnahme liegt z. B. vor, wenn der Betriebsrat der Kündigung zustimmt oder erklärt, er wolle sich zur Kündigung nicht äußern oder wenn er der Kündigung widerspricht.
Eine abschließende, das Anhörungsverfahren vorzeitig beendende Stellungnahme liegt im Arbeitsrecht nur vor, wenn sich der Arbeitgeber aufgrund besonderer Anhaltspunkte darauf verlassen kann, dass sich der Betriebsrat bis zum Ablauf der Frist nicht mehr äußern wird. Fehlt es an solchen Anhaltspunkten, muss der Arbeitgeber, wenn er vor Ablauf der Wochenfrist kündigen will, beim Betriebsratsvorsitzenden nachfragen und um Klarstellung bitten (BAG 25.05.2016 Az. 2 AZR 345/15).

6. Nachschieben von Kündigungsgründen

Der Betriebsrat ist vollständig zu unterrichten. Teilt der Arbeitgeber dem Betriebsrat objektiv kündigungsrelevante Tatsachen nicht mit, weil er sie für unerheblich hielt, kann das die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge haben, weil der Arbeitgeberanwalt im Kündigungsschutzprozess keine Gründe nachschieben darf, die nicht Gegenstand der Betriebsratsanhörung waren (BAG 18.06.2015 Az. 2 AZR 256/14).
Kein Nachschieben von Kündigungsgründen liegt vor, wenn diese durch den Arbeitgeberanwalt lediglich konkretisiert werden. Das ist der Fall, wenn durch den Anwalt im Arbeitsrechtsstreit lediglich noch die typischen Betriebsablaufstörungen bei wiederholtem Zuspätkommen vorgetragen werden, die dem Betriebsrat zuvor nicht mitgeteilt wurden. Eine Konkretisierung der Kündigungsgründe liegt aber nicht vor, wenn die Darlegungen des Anwalts einen eigenen Kündigungssachverhalt beinhalten oder dem mitgeteilten Kündigungsgrund ein anderes Gewicht verleihen.

a) Das Nachschieben von Kündigungsgründen durch den Anwalt, die dem Arbeitgeber bei Ausspruch der Kündigung bereits bekannt waren, ist im Arbeitsrechtsstreit unzulässig. Dabei kommt es darauf an, ob der nachgeschobene Sachverhalt dem Kündigungsberechtigten bekannt ist. Erforderlich ist die positive und vollständige Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen. Solche Gründe werden im Kündigungsschutzprozess nicht berücksichtigt (BAG 22.09.2005 Az. 2 AZR 365/04).
b) Kündigungsgründe die noch vor dem Ausspruch der Kündigung entstanden sind, dem Arbeitgeber aber bislang nicht bekannt waren, dürfen durch den Rechtsanwalt im Arbeitsrechtsstreit nachgeschoben werden, wenn der Betriebsrat noch zu diesen Gründen angehört wird (BAG 04.06.1997 Az. 2 AZR 362/96).
c) Gründe, die nach Ausspruch der Kündigung entstanden sind, müssen mit einer neuen Kündigung und einer erneuten Betriebsratsanhörung verbunden werden.

7. Rechtsfolge einer fehlerhaften Betriebsratsanhörung

Die Kündigung ist unwirksam, wenn der Betriebsrat nicht oder nicht ordnungsgemäß vor Ausspruch der Kündigung durch den Arbeitgeber angehört wurde, was durch den Anwalt für Arbeitsrecht zu prüfen ist. Die Kündigung ist ausgesprochen, wenn sie den Machtbereich des Arbeitgebers verlassen hat. Die Unwirksamkeit der Kündigung ist innerhalb einer Frist von drei Wochen durch eine Klage geltend zu machen.

a) Fehler im Verantwortungsbereich des Arbeitgebers

Es muss also ein Fehler in der Sphäre des Arbeitgebers bei der Einleitung oder beim Abschluss des Anhörungsverfahrens unterlaufen sein (BAG 15.05.1997 Az. 2 AZR 519/96). Zum Verantwortungsbereich des Arbeitgebers gehört die Einleitung des Anhörungsverfahrens und die Mitteilung der Kündigungsgründe. Überlasst der Arbeitgeber die Sozialauswahl dem Betriebsrat, ist dieser Fehler dem Verantwortungsbereich des Arbeitgebers zuzuordnen.

b) Verantwortungsbereich des Betriebsrates

Dagegen berühren Mängel in der Sphäre des Betriebsrats, z. B. wenn der Betriebsrat bei der Beschlussfassung nicht beschlussfähig war, die Wirksamkeit der Betriebsratsanhörung nicht (BAG 26.09.2013 Az. 2 AZR 741/12). Ausnahmsweise gilt das aber nicht, wenn schon gar keine Stellungnahme des Betriebsrates vorliegt, sondern nur eine Äußerung eines Betriebsratsmitglieds oder wenn der Arbeitgeber den Fehler selbst veranlasst hat (BAG 12.03.2009 Az. 2 AZR 251/07).

8. Darlegungs- und Beweislast

Der Arbeitnehmer bzw. sein Anwalt hat zunächst im Prozess vorzutragen, dass ein Betriebsrat besteht und dessen Anhörung vor Kündigung erforderlich war (BAG 08.05.2014 Az. 2 AZR 1005/12). Hierauf hat der Arbeitgeber bzw. sein Rechtsanwalt im Rahmen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast vorzutragen dass der Betriebsrat ordnungsgemäß angehört worden ist. Diesen Vortrag hat das Arbeitsgericht selbst dann auf seine Schlüssigkeit zu prüfen, wenn dem der Arbeitnehmer im weiteren Verlauf nicht noch einmal entgegengetreten ist.

Einer Schlüssigkeitsprüfung bedarf es nur dann nicht, wenn der Arbeitnehmer zweifelsfrei zu erkennen gibt, dass er an der betreffenden Rüge nicht länger festhält (BAG 24.05.2012 Az. 2 AZR 206/11). Auf den Vortrag des Arbeitgebers hat der Anwalt des Arbeitnehmers wiederum vorzutragen ob er rügen will, dass der Betriebsrat überhaupt angehört wurde und in welchen Punkten er die Betriebsratsanhörung für falsch oder die die mitgeteilten Tatsachen für unvollständig hält. Um eine Beweisaufnahme zu ermöglichen muss der Anwalt des Arbeitnehmers deutlich machen, welche Angaben er für zutreffend erachtet und welche nicht. Die Beweislast trifft den Rechtsanwalt des Arbeitgebers (BAG 21.05.2008 Az. 8 AZR 84/07).